TimecodE - The Devious Syndrome

von Malte H.

Bewertung: 9/10

TimecodE - The Devious Syndrome

Sechs lange Jahre mussten die Fans der chilenischen Prog-Death-Formation TIMECODE auf den Nachfolger zum 2012er Album “Lapses” warten. In der Zwischenzeit hat sich das Gefüge um Mastermind Celso Garces (Gitarre) verändert. Sänger Felipe V. (AURA HIEMIS) und Gitarrist Ricardo Espinoza (jetzt THE OUTSIDE) haben die Band verlassen und wurden durch Oliver Moris (u.A. DISMORFIA) am Sechssaiter und Sebastian Silva (DESIRE OF PAIN) am Mikrofon ersetzt.

Musikalisch hat sich hingegen nicht ganz so viel geändert. TIMECODE sind weiterhin tief im Death Metal verwurzelt, verfangen sich jedoch nicht in den immer gleichen repetitiven Strukturen, sondern variieren wie schon auf „Lapses“ stark in Tempo und Spielart. Stellenweise mutet die Musik der fünf Chilenen chaotisch und sehr progressiv an (bspw. „The Seething Passivity“, „Self-Harm Relapse“), wobei die Nackenbrecher-Riffs nicht zu kurz kommen (bspw. „Schizophrenic Defect“, „Padded Room Disturbance“). Insgesamt wirkt die neue Scheibe der Südamerikaner sehr durchdacht und verfolgt ein tieferes Konzept, welches auch in engem Zusammenhang mit dem Cover-Artwork und den Songtiteln steht. Dem möchte ich an dieser Stelle nicht zu viel vorwegnehmen. Es geht jedoch rein in die menschliche Psyche und den Wahnsinn – Stichwort „Schizophrenie“. Im Vergleich zum Vorgänger haben TIMECODE, was den progressiven Ansatz angeht, eine weitere Schippe draufgelegt. Und das soll angesichts des ohnehin nicht leicht zugänglichen „Lapses“ schon was heißen. Gerade Songs wie „The Seething Passivity“ lassen einen als Hörer gar nicht zur Ruhe kommen. Die Gitarren sind dissonant und insbesondere in den Solis sehr verspielt, Bassist Victor Trujillo sowie Drummer Danilo Estrella bilden einmal mehr eine groovige, extrem zuverlässige Basis und auch sonst gibt es auf „The Devious Syndrome“ viele Kleinigkeiten zu entdecken, die man gerne überhört. Als jemand, der seine bescheidene Musikkarriere mit dem Bass startete, kann ich nur empfehlen, an der Stelle mal genauer hinzuhören. Der gute Victor haut auf der Scheibe ein paar richtig coole Lines raus. Das dritte Album der Chilenen braucht jedoch ein paar Durchläufe, um ordentlich zu zünden. Trotzdem finden sich Songs wie „Padded Room Disturbance“ wieder, die quasi ohne Umwege direkt ins Ohr gehen. Wie schon auf „Lapses“ braucht es solche Tracks aber auch, damit man sich als Hörer erholen kann und den Anschluss an die wilde Fahrt hinein in die Abgründe menschlicher Psyche nicht verliert. Da kommt auch das Interlude „Inward“ gerade recht. Akustisch verspielte Gitarren, kein Geballer, keine Vocals… einfach mal durchschnaufen.

Besonders hervorheben muss man angesichts des schizophrenen Konzepts von „The Devious Syndrome“ die Leistung Sebastian Silvas, dessen Gesang sich wirklich sehr variabel präsentiert. Manchmal kommt das Gefühl auf, es auf „The Devious Syndrome“ mit zwei Sänger bzw. Personen zu tun zu haben, was angesichts des Albumkonzepts ein gelungener wie durchdachter Schachzug ist. Umso erstaunlicher, dass sämtliche Gesangspassagen von Silva alleine eingesungen wurden. Gerade in Songs wie dem Opener „Prodrome“ oder „The Acute Phase“ agieren Growls und kehlige Schreie beinahe schon in einer Art Dialog, was die Vocals auf dem Drittling TIMECODEs nicht nur sehr spannend, sondern auch ziemlich verstörend wirken lässt.

Was die Produktion betrifft haben sich TIMECODE erneut zu Igor Leiva (POEMA ARCANUS) ins Studio zurückgezogen. Als Co-Producer legte Songwriter Celso Garces auch gleich mit Hand am Sound an. Herausgekommen ist ein drückender, erdiger Sound, welcher den heutigen Hochglanzproduktionen den Mittelfinger zeigt. Schön mit Ecken und Kanten, dabei aber transparent. So soll es sein!

Fazit

TIMECODE verfolgen den Weg, den sie bereits auf „Lapses“ eingeschlagen haben, ungeirrt weiter. „The Devious Syndrome“ steckt so voller Details, dass es kaum möglich ist, das gesamte Album in nur ein paar Durchläufen zu verstehen. Ebenso fällt es mir schwer, einen bestimmten Song herauszupicken. „Padded Room Disturbance“ taugt noch am ehesten als Anspieltipp. Das dritte Album der Chilenen ist ihr bisher komplexestes und am schwersten zugängliches Werk und will eigentlich lieber in seiner Gesamtheit gehört werden. Wer meint, hier mit typisch eingängigem Ohrwurm-Death Metal und Gore-Lyrics bedient zu werden, liegt falsch. TIMECODE bieten anspruchsvolle Musik mit einem anspruchsvollen lyrischen Konzept und haben sich nicht umsonst einen guten Ruf in der chilenischen Szene erarbeitet. Wer auf progressiveren Death steht, sollte hier unbedingt mal reinhören. Wem „Lapses“ bereits zu komplex war, sollte jedoch von „The Devious Syndrome“ die Finger lassen, denn TIMECODE haben einige Schrauben nochmal angezogen.

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