Onkel Tom - Zwischen Emscher & Lippe

von Rüdiger Vinschen

Bewertung: 6/10

Onkel Tom - Zwischen Emscher & Lippe

Oha, was hat er denn da fabriziert? Tom Angelripper haut mal wieder eine EP in den Äther, und diese ist deutlich anders als das übliche Material, das wir von dem sympathischen Thrash-Urgestein gewohnt sind. Unter dem Banner von ONKEL TOM hat selbiger ja seit etwa Mitte der 90er seinen eigenen Mythos als härtester Trinker im Metal immer weiter zementiert. Ob gecovert oder selbst verfasst, Trinklieder standen fast immer auf der Tagesordnung. Der Titel "Zwischen Emscher & Lippe" lässt schon vermuten, dass es dieses Mal anders sein wird, und die Farbgebung des Covers ist ebenfalls ein guter Hinweis auf den Inhalt dieser neuesten Kurzplatte.

Es ist eine Retrospektive, eine von der Art, wie sie für den Ruhrpott sehr typisch ist. Genau das macht einen Großteil des Charmes tief im Westen aus: Dieser Blick auf die eigene Heimat mit dieser seltsamen Hassliebe, dem offenen Blick auf das Schöne und Schlechte im eigenen Leben, über dem aber unbedingter Zusammenhalt und unbändiger Stolz schwebt. Die ganz besondere Chemie dieses (immer noch, obwohl die meisten Zechen nicht mehr fördern) rußgeschwärzten Ballungsraums war in den 80ern die Wiege des wegweisenden deutschen Tharsh Metal, der Generationen von nachfolgenden Musikern beeinflusst hat. Die Rede ist natürlich von SODOM und KREATOR (und anderen, aber sämtliche aufzulisten, würde hier zu weit führen), und Tom Angelripper war ja bekanntlich dabei. Wer tiefer in diese Materie eintauchen will, dem kann ich übrigens wärmstens das Buch "Kumpels in Kutten" von Holger Schmenk und Christian Krumm ans Herz legen.

Nun aber "Zwischen Emscher & Lippe". Was ist drauf? Eine Lobeshymne an den Pott, zwei Fan-Hymnen an Schalke 04, sowie ein Live-Track, wiederum ein Heimatsong. Ja, was soll ich sagen? Damit habe ich so meine Probleme. Musikalisch muss man zu ONKEL TOM ja nichts weiter sagen, was die machen, ist bekannt. Alte Hasen im Geschäft, deswegen muss man keine halbgare Produktion erwarten, und auch keine spielerischen Experimente. Unter dem Strich ist mir das Ganze aber zuviel Pathos, bei aller Sympathie für den Pott. So viele Leute haben den Ruhrpott schon in ihren Liedern thematisiert, da bekommen diese Zeilen etwas so arg Phrasenhaftes, fast wie ein Bausteintext. Ich will jetzt nicht sagen, dass der künstlerische Zugang fehlt, oder dass diese Songs keine Daseinsberechtigung hätten. Mitnichten! ONKEL TOM muss sich von niemandem irgendwas erzählen lassen, was die Legitimität seiner Lieder angeht. Nur dieser überbordende Schmalz wird normalerweise vor allem von allen möglichen ONKELZ-Nachfolgebands zum Exzess getrieben, und da bin ich dann raus, sorry. Zu deutschrockig für meinen Geschmack.

Das gilt umso mehr für die Schalke-Hymnen "Für Die Ewigkeit" und "Die Erben Des S04". Die Jungs sind Gelsenkirchener, ja, also lass sie machen! Alles tutti! Und die Songs an sich kann man abfeiern, die sind gut, die haben Schwung, passt schon! Nur bin ich nun mal kein Schalker, und für die Mehrheit der ONKEL TOM-Hörer wird das auch gelten. Wir gehören einfach nicht zur Zielgruppe. So schlicht und ergreifend ist das. Und auch, wenn ONKEL TOM immer Gute-Laune-Garant gewesen ist, als langjähriger Sankt Paulianer singe ich keine Schalke-Fangesänge mit, auch nicht solche mit Stromgitarren. Umso mehr, da mich zwar mit der Region einige Erinnerungen verbinden, aber mit Gelsenkirchen mal so gar nicht.

Fazit

Also, diese EP ist vor allem etwas für die Heimatliebenden, für die Ruhrgebietler (Essener, Dortmunder, Bochumer usw. allerdings nur bedingt...ahem), für die Schalker. ONKEL TOM stellen die Schnapsgläser mal kurz beiseite, um ihren Pott und ihren Verein zu besingen. Dafür zolle ich Respekt und Anerkennung, die Musik ist an sich hochwertig und so, wie wir sie seit Jahrzehnten gewohnt sind, aber die Thematik verhindert, dass ich so richtig Zugang dazu bekomme. Leute aus dem Land, wo die Sonne verstaubt, dürfen auf die Wertung zwei Pünktchen aufschlagen. Die meisten anderen wünschen sich vermutlich eher ein Tröpfchen voller Glück.

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