Messenger - Illusory Blues

von Rüdiger Vinschen

Bewertung: 6/10

Messenger - Illusory Blues

Argh, da bin ich nun wieder hin- und hergerissen. Das ist das Ding, wenn man meint, man erkennt eine Band anhand des Namens. Das Problem bei der Musik ist, dass der Sprache (selbst, wenn es verschiedene Sprachen gibt) schneller die Worte ausgehen, als der Musik die Variationen. Was am Ende dabei herauskommt, wissen wir alle: da gibt es zig Songs, die alle auf denselben Namen hören, und das gibt es eben auch bei Bands. In der Encyclopaedia Metallum z.B. existieren ganze acht Bands, die auf den Namen EVIL hören, sowie 241 andere, die ebenfalls ein "Evil" im Bandnamen tragen oder trugen. Und das ist nur der Heavy Metal! Tja, genau hier liegt der Hund begraben. Wer glaubt, hier folge ein Review der deutschen True Metal-Legende MESSENGER ("Star Wolf"), der täuscht sich gewaltig. Genauso wie ich übrigens. Was soll's, dann ziehen wir uns heute halt ein wenig Progressive Rock rein. Schon der Albumname "Illusory Blues" und das Albumcover sollten klar machen, dass es hier um reichlich psychedelische Mucke geht.

Hin und wieder werden MESSENGER im Psych Rock verortet, und der Grund dafür wird schon bei den ersten Klängen von "The Return" ersichtlich. Ich habe jetzt das Album ca. sechsmal durchgehört, und klarer kann es nicht mehr werden, dass diese Musik eine bestimmte Stimmung verstärkt, wenn nicht sogar erzeugt. Wäre ich ein melancholischer Mensch oder gerade ziemlich traurig, dann würde der "Illusory Blues" sicher etwas in mir berühren. Sogar ohne diese Gefühle hatte ich schon nach kurzer Zeit einen gehörigen Blues. Das ist eine große Stärke aller Songs, sie treffen so einen ganz bestimmten Nerv. Dabei lässt sich über Arrangement und musikalische Ausgestaltung wirklich nur Positives sagen. Der Käufer des Silberlings bekommt ein absolut fein abgestimmtes und mit extrem viel Gefühl gespieltes Kunstwerk in die Hände gelegt. Wäre die CD wie die Musik, man müsste Angst haben, sie mit bloßen Fingern zu zerbrechen. Die Melodien sind äußerst filigran und erfordern, dass man sich ganz darauf einlässt. Josefs Stimme trifft immer genau und gleitet zuckersüß, schüchtern, lockend, dann wieder schmeichelnd durch den Akkordvorhang. Der extensive Einsatz von Akustikgitarren macht das Ganze sehr soft. Hin und wieder hat man das Gefühl, in einen Wattebausch gestoßen zu werden.

Wenn man es schafft, sich von der transzendentalen Welle nicht forttreiben zu lassen, erkennt man hin und wieder subtil eingespielte musikalische Abwechslung. So klingt ein Song unweigerlich jazzig mit einem Hang zum Swing ("Somniloquist"), dort schiebt sich ein Kopfnick-Groove dazwischen ("Midnight"), dann legen die sonst schleppend langsamen Drums einen Galopp ein und die Gitarren klingen schon fast nach waschechtem Stoner Rock ("The Perpetual Glow Of A Setting Sun"), und erklärt mich für verrückt: zu Beginn von "Let The Light In" entstand in meinem Geist ein perfektes Bild eines japanischen Bergdorfs zur Zeit der Samurai im Morgennebel. Die anfangs orientalisch anmutenden Klänge werden im Verlauf des Tracks allerdings zunehmend wilder und indianischer - wenn Psychedelic Rock überhaupt wild werden kann.

Die Message der Songs ist bei diesem Genre eigentlich nicht ganz so wichtig - angesichts der musikalisch erzeugten Stimmung tritt sie in den Hintergrund. Und doch muss man sich selbstverständlich gehörig informieren, und genau hier verlieren MESSENGER bei mir mindestens einen Punkt. Die ideologische Ausrichtung ist das, was wir im Metal "White" nennen würden, nämlich vorwiegend christlich. So manche Band (nicht wenige davon sind einfach nur ahnungslose Schwachmaten mit Nullscheckung) bezeichnet sich selbst als "unpolitisch." Das ist der größte Humbug, den es gibt. Musik ist eben nicht unpolitisch, sondern immer das genaue Gegenteil. Und das aus gutem Grund: durch das Einfließen eigener Überzeugungen, einer eigenen "Band-Ideologie," wenn man so will, kommt doch erst die Message, die Seele zustande. Ja, und genau daran hapert es bei mir und MESSENGER. Ich habe nunmal als Vollblut-Metaller entschieden, mich vom Christlichen zu trennen. Und selbst, wenn diese - wirklich coolen, respektablen - Jungs eine eigene Definition von Glauben, Sünde und dem Verhältnis zu Jesus und Gott aufstellen, so stößt mir die - Achtung, Wortspiel - Bigotterie zwischen Bibeltreue und freier Glaubensauslegung ganz gehörig sauer auf. Selbstverständlich sei jedem Musiker das Seine überlassen. Und wenn diese Briten mit ihrer Musik genau das ausdrücken, was sie fühlen, sei es ihnen gegönnt, und sie machen es auch wirklich gut!

...ich finde es nur nicht gut.

Fazit

Stammgästen im Psych Rock Genre wird diese Veröffentlichung sicher sehr gefallen. Alle Facetten der Musik gehen sofort bis direkt an die Synapsen, zapfen sich dort an und sind in der Lage, das emotionale Nervenkostüm von allen völlig durchzuschütteln, außer denen, die vollkommen aus Stein gemeißelt sind. Leider ist die Platte nicht mit besonders vielen Stimmungslagen kompatibel, und wegen des Jesus-Krams gibt's von mir persönlich Abzüge in der B-Note - dabei wäre rein musikalische mindestens eine gute Acht drin.

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