Max Pie - Odd Memories

von Rüdiger Vinschen

Bewertung: 8/10

Max Pie - Odd Memories

MAX PIE nennt sich eine nicht mehr ganz junge Band aus Tubize in Belgien, die unter dem Banner des Progressive Power Metal fährt. Ihr aktuelles Album "Odd Memories" steht seit einer Woche im Laden - allerhöchste Eisenbahn, dass auch das Reaperzine seinen Senf dazugibt. Die Bandbiographie liest sich zunächst ziemlich klassisch: Bandgründung 2005, in den ersten Jahren wurden zunächst Coversongs gespielt. Ab 2009 ca. konzentrierte man sich darauf, eigenes Material zu entwickeln, und seit 2011 bekommen die Metalheads in schön regelmäßigem Zweijahresrhythmus jeweils ein Full Length präsentiert. Die Vorgänger "Initial Process" und "Eight Pieces - One World" verhalfen zwar noch nicht zum internationalen Durchbruch, avancierten aber zum Spartentipp: vor allem mit KAMELOT und SYMPHONY X wurden die Longplayer oft und gern verglichen. Das Drittalbum liefert nun wieder eine knappe Stunde an neuem Kram, und als Bandneuling lasse ich mich mal davon überraschen, was da kommen mag.

"Odd Memories Opening" macht den Anfang. MAX PIE haben sich für ein recht langes Album-Intro entschieden, das mit sich steigernden orchestralen Arrangements aus Streichern und Bläsern eine recht dramatische Atmosphäre aufbaut. Ihren Höhepunkt erreicht die Spannung ganz am Schluss und wird durch ein Paukenschlag-Riff aufgelöst: "Age Of Slavery" schickt noch in derselben Sekunde einige schnelle Tonleitern auf dem Keyboard hinterher. Das Setting für den Stil ist somit klar umrissen. Und während sich der erste Song noch wie ein zwar verspieltes, aber sonst recht typisch europäisches Power Metal-Stückchen benimmt, so kommt der Prog-Fan beim folgenden "Odd Future" schon eher auf seine Kosten. Die Lead spielt da eine schöne, ungerade alternierende Riff-Folge, die den Hörer aufmerksam und die Synapsen bei Laune hält. Dass man mit den kopflastigen Elementen mal mehr, mal weniger deutlich auftritt, scheint System zu sein. Einen eher konventionellen Power Metal-Song löst meistens ein progressiverer Track ab, und umgekehrt. Der ständige Wandel ist oberstes Gebot bei MAX PIE, das merkt man schnell - ob das bei der Albumstruktur ist, innerhalb eines Songs oder auch im Mikrokosmos der einzelnen Instrumente.

Tony Carlino raspelt sich im einen Moment die Stimmbänder ab, im nächsten schmettert er in powermetallischer Heldenmanier eine Tränen-und-Fäuste-Melodie in den Schmalz. Die Keyboards, von Gitarrist Damien eingespielt, bleiben mal harmonisch-dezent im Hintergrund, stellen sich an anderer Stelle aber oft in die erste Reihe und fiedeln sich einen ab, erhalten sogar ab und an ein Solo. Dabei treten sie entweder als spacige Synthies auf, als Piano, oder auch mal auf Hammond getrimmt. Die Drums entfernen sich auch mal vom angestaubten Vierviertel, wechseln zwischen Doublebass und vielen einfallsreichen Variationen. Das macht vor allem bei den ungewöhnlicheren Nummern viel Spaß, so wie dem eben genannten "Odd Future", aber auch bei "Unchain Me" oder dem folgenden "Cyber Junkie". Schwächer hingegen finde ich die Stellen, an denen die Belgier ein bisschen zu operettenhaft agieren. "Promised Land" klingt derbe wie ein x-beliebiger Song aus dem mittlerweile ansehnlichen Repertoire von AVANTASIA, umso mehr, da sich Tony teilweise des Gesangsstils von Mastermind Tobias Sammet zu bedienen scheint. Und wenn man anhand der Tracklist mal sagen sollte, welches die zwei Balladen auf dem Silberling sind, was würdet Ihr antworten? Richtig, ist nicht schwer: "Love Hurts" und "Hold On". Letzterer ist die typische Power Metal-Durchhalteparole, ersterer kann allerdings mit seinem Verlauf überraschen. "Love Hurts" startet mit ruhigem Klavierintro im Sechsachtel (Oder ist das jetzt Dreiviertel? Ich kann das nie auseinanderhalten), bekommt aus den Verstärkern allerdings später mehr Power, als man dem Song zunächst zutrauen würde. Das bringt gut die verletzte Stimmung des Protagonisten rüber, ist durchaus ein Reinhören wert.

Insgesamt bin ich der Meinung, dass MAX PIE hier stark abliefern. Die Produktion ist glasklar, so wie sie sein muss für ein Werk, das Wert auf Details legt. Die kommen gut zur Geltung, und auch, wenn mir nicht alles ausnahmslos gefällt, so erkenne ich doch im Songwriting einigen Mut, auch mal Konventionen zu sprengen - etwa, wenn zu Beginn von "Unchain Me" ein elektronischer Beat eingespielt wird, der so gar nicht metallisch sein will. Diese Parts werden flankiert durch nette Details wie das Tastaturgeklapper am Anfang von "Cyber Junkie", und die musikalische Leistung der vier ist absolut vorzeigbar.

Anspieltipps: "Odd Future", "Unchain Me", "Cyber Junkie"

Fazit

Ich bin geneigt, dem Quartett die acht Punkte Dauerrotations-Wertung zu geben, denn verdient haben sie das auf jeden Fall. Dass ich einige Passagen als schwächer bewerte, liegt vermutlich auch an einem Überangebot in jenen Sparten, dadurch ist mir die ganze Metalopern-Schiene etwas über. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass MAX PIE eine wirklich gute Symbiose aus Power- und Progressive-Elementen hinbekommen, die mir auch im zwölften Durchgang noch nicht langweilig geworden ist. SYMPHONY X-Hörer können, da stimme ich mit meinen Vor-Rezensenten absolut überein, bedenkenlos zugreifen. Flinkes Instrumentalspiel plus kristallklare Vocals - erste Sahne.

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