Linseed - Enemy

von Rüdiger Vinschen

Bewertung: 6/10

Linseed - Enemy

LINSEED aus Bielefeld sind eigentlich eine Koryphäe in der heutigen Metal-Welt. So viele junge und durstige Bands stürmen die Szene, jeder hat zum Ziel, seinen künstlerischen Output möglichst direkt in eine kaufbare Platte zu pressen. Und dann gibt es da noch die Alten, die, die die Helden der verschiedenen Genres der 80er und 90er abgefeiert haben und irgendwann eine Mannschaft zusammenklauben konnten, in der die gemeinsame Leidenschaft zelebriert wurde. Leistung und Professionalität waren nicht unbedingt die zentralen Begriffe der Musiker dieser Zeit. Damit meine ich nicht, dass man keine professionellen Künstler finden konnte, sondern dass das nicht das Zentrum des Schaffens war. So ließen auch LINSEED die eigenen Werke gemächlich reifen. Zehn Jahre ab Bandgründung, bis 2008, dauerte es, bis das erste Studioalbum (selbstbetitelt) fertig war. Und dann passierte das Übliche, an irgendeinem Punkt im Leben wurde die Band aus Kumpels zur Nebensache. So lange jedenfalls, bis wiederum zehn Jahre später wieder genügend Bock angestaut war, um ein Zeichen zu setzen: Hallo, es gibt uns noch.

Dieses Zeichen ist die vorliegende EP "Enemy". Und wenn noch jemand einen Beweis braucht, wie weitläufig die Definition Groove Metal ist, der höre sich die drei Songs bitte mal durch - es dauert nicht so lang. Früher haben wir unter den Kommilitonen gewitzelt, das Wissen eines Wirtschaftsingenieurs sei breit wie ein Ozean und flach wie eine Pfütze. Was die Breite angeht, kommt der Groove Metal dem schon nahe. Der eröffnende Titeltrack mutet zunächst an, als sei er dem Gothic Death/Doom Metal entsprungen, hat ein ähnliches Timbre wie die Songs der aktuellen Genre-Übersteiger NAILED TO OBSCURITY, wenn er auch deutlich weniger elaboriert ist. Da sind die Stücke der Ostfriesen einfach viel weiter entwickelt. Insgesamt, muss man sagen, macht der Song eine gute Figur. Ein komplett anderes Metier wird im folgenden "Result Of Experience" bedient, der meiner Meinung nach der stärkste Song der EP ist. Das kraftvolle (Hardcore-) Shouting, das bereits im Opener praktiziert wurde, dominiert noch einen Tick schärfer diesen mächtigen Stampfer. Die Rhythmen sind modern, die Riffs kurz vor dem Breakdown. Dankenswerterweise sind Letztere nicht so einförmig geraten wie bei vielen Core-Vertretern (der Begriff fällt nur, weil zuvor die Verbindung zu Breakdowns hergestellt wurde). Alles in Allem ein Song, der zum Mitgehen anregt.

Leider fällt die Spaßkurve mit "Dignity" wieder ab. Der Titel gibt sich variabel, sowohl im Songwriting, wie auch in der Gesangstechnik. Der Klargesang hat jedoch deutliche Mängel - bitte lieber beim Shouting bleiben, das passt besser. Die ansonsten gute Wertung, die für mich zwischen sechs und sieben Punkten schwankte, ist dann letzten Endes doch abgerundet worden. Schuld daran sind leichte Abzüge in der B-Note für eine doch ziemlich nach Plastik klingende Kickdrum, das fiel besonders im zweiten und dritten Stück auf. Das ist aber auch der einzige Kritikpunkt an der sonst strammen und stimmigen Produktion.

Fazit

Es gibt so viel Variation im Groove Metal, auch dort gibt es Klassik und Moderne, und mehr Facetten, als man zählen kann. Einige davon präsentieren LINSEED auf "Enemy", und dabei liefern sie keine schlechte Arbeit ab. Das Songwriting löst vielleicht keine Begeisterungsstürme aus und stimmlich sind manchmal Schwächen erkennbar, aber ansonsten ist "Enemy" gut hörbar. Anständige, ehrliche Arbeit!

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