Eis - Wetterkreuz

von Malte H.

Bewertung: 9/10

Cover Eis Wetterkreuz

Nach dem Vertragsschluss mit Prophecy Productions 2008 und dem hochgelobten dritten Album "Galeere" lag die Vermutung nahe, dass den deutschen Schwarzmetallern von EIS (ehemals GEIST) rosige Zeiten bevorstanden. Ein angesehenes und für seine Hingabe bekanntes Label im Rücken und drei starke Alben im Gepäck, was sollte noch schief gehen?
Tatsächlich sollten die folgenden Jahre ein Prüfstein für die gesamte Band und ihre Philosophie werden. Nicht nur, dass man 2010 den Bandname aufgrund rechtlicher Schritte einer gleichnamigen Band in EIS ändern musste, auch verließ mit Sänger Cypher D. Rex und den beiden Gitarristen Hedrykk F. Gausenatt und Zyan ein Großteil des Lineups die Band. Übrig blieben lediglich Bassist Alboin und Schlagzeuger Marlek, die beschlossen, die Band alleine fortzuführen.

Rückblickend betrachtet lassen sich die Ereignisse der letzten Zeit als Neubeginn verstehen, welcher EIS neuen Schwung verliehen hat. Nach der Wiederveröffentlichung der ersten beiden Alben "Patina" und "Kainsmal" folgte in diesen Tagen der Moment, auf den Fans der Band drei Jahre lang warten mussten: Der Release des vierten Albums "Wetterkreuz".

Nachdem man sich auf "Galeere" in maritime Gefilde begab, geht es auf "Wetterkreuz" hoch hinaus. Und zwar in bergige Landschaften, die von Schnee und Kälte heimgesucht werden, wo der Wind unbarmherzig weht und jeder falsche Schritt den metertiefen Sturz ins Verderben bedeuten kann. Alleine ein Blick auf das gelungene Cover lässt die Seele gefrieren. Majestätisch erhebt sich das Wetterkreuz über die Gipfel der Berge, während der Schneesturm förmlich greifbar tobt.

Es ist nicht verwunderlich, dass der Opener von "Wetterkreuz", namentlich "Mann aus Stein", mit dem Klang stürmischer Böen beginnt, die durch die Schluchten der Gebirge ziehen. Woher der Song seinen Namen hat, lässt sich erahnen, wenn nach wenigen Sekunden ein Sprachsample von Klaus Kinski einsetzt, wo selbiger eine Passage aus August Strindbergs "Der Steinmann" vorträgt.
Nachdem sich die Sinne in das Szenario eingefunden haben, geht "Wetterkreuz"erst richtig los: Eine Wand aus kalten Gitarren baut sich auf und das Schlagzeug prescht ohne Rücksicht mit Blastbeats nach vorne.
Was sofort ins Ohr sticht ist die raue Produktion, die mit den wärmeren und glatteren Klanggebilden von "Galeere" nicht mehr viel gemeinsam hat. Ferne Erinnerungen an "Kainsmal" werden wach und sind nicht von der Hand zu weisen, sprach doch Hauptsongwriter Alboin in Bezug auf "Wetterkreuz" von einer "Winterversion von Kainsmal".
Alboin ist in der neuen Bandkonstellation mittlerweile nicht mehr nur Saitenschwinger, sondern auch Sänger. Und ich denke, ich treffe auf wenig Widerworte, wenn ich sage, dass er seine Sache sogar einen Tick besser macht als sein Vorgänger Cypher D. Rex. Dieser ist bei Weitem kein schlechter Sänger, im Gegenteil, doch – zumindest in Bezug auf "Wetterkreuz" – erscheint Alboin als Idealbesetzung. Aggressiv, energisch und mit einigen Spuren Melancholie in der Stimme keift und raunt sich Alboin durch die Songs.
Erfreulich hierbei ist, dass man den Worten des Gesangs (relativ) problemlos folgen kann. Angesichts der Tatsache, dass die Texte bei EIS stets von hoher Bedeutung sind und ihren eigenen Teil zur gesamten Atmosphäre des Albums beitragen, fördert der Gesang nicht nur durch seine Art, sondern auch durch seine Verständlichkeit die Wirkung von "Wetterkreuz". Man wird förmlich dazu eingeladen, sich mit den Texten auseinanderzusetzen und sollte dieser Einladung auch dankend nachkommen. Bei kaum einem anderen deutschsprachigen Black Metal Album ist die persönliche Note so greifbar, wie auf "Wetterkreuz".

Die Songs des neuen Albums zeichnen sich allesamt durch Überlänge von bis zu zehn Minuten aus, schaffen es jedoch, den Hörer konstant bei der Stange zu halten. Der "Mann aus Stein" ist dabei ein hervorragendes Beispiel. Beginnend mit der angesprochenen Einleitung durch Kinski und der losbrechenden Riff-Lawine baut sich der Song langsam bis zum Höhepunkt auf, wo Alboins Stimmgewalt besonders intensiv zum Vorschein kommt. Anschließend ist es erneut Kinski, der mit mutspendenden Worten den Song beendet.
Neben dem abschließenden "Bei den Sternen" hebt sich der Opener vom Rest des Albums ab, da der Track in sich selber abgeschlossen wirkt, während die anderen Stücke stärker voneinander abhängen.

Die Hoffnung, die Kinski zum Ende von "Mann aus Stein" aufkommen lässt, wird durch das folgende "Auf kargen Klippen" (man stelle sich beim Hören einmal einen cineastischen Zoom-In über die Berge auf das Wetterkreuz vom Cover vor) direkt wieder zerbrochen.
Mit einfachen Mitteln geben EIS Vollgas und präsentieren sich teilweise ziemlich "schwedisch". Das Riffing ist straight, die Marschroute klar definiert. "Auf kargen Klippen" ist mit Sicherheit der typischste Black Metal Song auf "Wetterkreuz", der zudem die eingängigsten Leads vorweisen kann. Einmal gehört geht die Melodie nur schwer wieder aus dem Kopf raus. Durch den zum Ende hin auftretenden Sprechgesang betreten EIS Neuland und verleihen dem Song eine weitere Facette, die man so von den vorherigen Alben nicht kannte.

Bekannt ist im Gegenzug dazu jedoch der Beginn des Titeltracks, der mit seinem schleppenden, sich langsam aufbauenden Charakter an das Vorgänger-Album erinnert. Da der Song kurz nach der Zeit von "Galeere" entstand, ist dies sicherlich nicht verwunderlich. Generell vereint das Stück viele Tugenden, die EIS groß gemacht haben. Dazu zählen neben den harschen Uptempo-Passagen auch langsamere, melodische Abschnitte und einfache, groovige Riffs. Stellenweise fühle ich mich hier sogar an NOCTE OBDUCTA zu "Nektar"-Zeiten erinnert.
Das Credo, dem sich alle Elemente unterordnen, ist dabei stets, die Atmosphäre des Albums zu wahren und in die Gehörgänge der Hörer zu transportieren. Genau das bringt der Titeltrack auf den Punkt, nicht nur Dank tollen Synthesizer-Einsätzen.

Diese ragen auch im erhabenen und melodischen "Am Abgrund" heraus. Erfreulich hierbei ist, dass EIS eine gute Mischung gefunden haben, wenn es darum geht, dass Keyboard als Bereicherung der Atmosphäre zu verwenden. Meistens im Hintergrund präsent untermalt selbiges die Songs, ohne kitschig oder "too much" zu wirken. Der vorletzte Song von "Wetterkreuz" beinhaltet sogar einen rein elektronischen Part, der das Ende des Songs suggeriert, nur um dann in einen weiteren Black Metal Ausbruch überzugehen, der den Hörer aufschreckt und mitreisst. Klasse!
Generell ist "Am Abgrund" wahrscheinlich der Song mit dem höchsten Raserei-Anteil. Das Raserei jedoch nicht gleichzusetzen ist mit "unmelodisch" beweisen EIS einmal mehr.

Wie bereits weiter oben erwähnt nimmt der Rausschmeißer "Bei den Sternen" eine herausragende Stellung auf "Wetterkreuz" ein. Hierbei handelt es sich um den typischen EIS-Gänsehaut-Song, der das Album final abrundet und den Hörer mit wohligen Schauern entlässt. In gedrosseltem Tempo angesiedelt gibt es gleich zu Beginn die für mich ergreifenste Lead-Melodie des Albums in die Ohren gelegt. Getragen, verträumt und im Verlauf des Songs erneut aufgegriffen. Wundervoll!
Die Sonderstellung des Songs lässt sich gut anhand der Lyrics erkennen, wo es direkt zu Beginn heißt:

"Lassen wir die Berge hinter uns,
die Täler, Grate und die Gipfel,
Abgründe und Wetterkreuze,
die zu Stein gewordenen Menschen."

"Bei den Sternen" gesellt sich unmittelbar zu solch grandiosen Rausschmeißern wie "Unter toten Kapitänen" oder "Spätsommerabende" und lässt einen als Hörer in Versuchung kommen, den Song nach seinem Ende direkt nochmal laufen zu lassen. Alleine die Melodie zwingt einen förmlich dazu.

Letztendlich unterlässt man dieses Unterfangen nur aus einem Grund: "Wetterkreuz" hat es sich ob seiner Qualitäten verdient, dass man es als Gesamtwerk hört. Ein starkes Album, welches zeigt, dass EIS nach wie vor in der Champions League der Black Metal Bands spielen.

Fazit

Alboin und Marlek haben mit "Wetterkreuz" bewiesen, dass sie auch als Duo in der Lage sind, erstklassige Alben zu schreiben. Das vierte Werk von EIS überzeugt durch eine klirrend kalte Atmosphäre und eingängiges Songwriting, dass ohne große Ausschweifungen den Kern des mittneunziger Black Metal auf den Punkt bringt.
Dabei kann man EIS nicht vorwerfen zu stagnieren, denn wie bereits die drei Alben zuvor ist "Wetterkreuz" zwar unverkennbar EIS, offenbart jedoch durch seine Kälte und den punktgenauen Einsatz des Keyboards viele neue Facetten. Insbesondere (Neu-)Sänger Alboin verleiht den Songs durch sein ausdrucksstarkes Organ eine besondere Bedeutung und unterstreicht die (einmal mehr) gedankenschweren und vieldeutigen Texte.
Schlussendlich bleibt nur noch zu sagen, dass EIS mit "Wetterkreuz" einen Anwärter auf das Album des Jahres ins Rennen geschickt haben. Absoluter Pflichtkauf für jeden Fan schwarzmetallischer Tonkunst.

Zurück

Einen Kommentar schreiben