Candle - The Keeper's Curse

von Rüdiger Vinschen

Bewertung: 7/10

Candle - The Keeper's Curse

Kann man mich jetzt schon als Auslandskorrespondenten bezeichnen, wenn ich auf einer dienstlichen Reise in Polen im Hotel sitze und die Zeilen dieses Reviews in meinen Laptop tickere? Wollen wir's hoffen, denn der Titel klingt echt gut! Um CANDLE aus Schweden geht es heute, und seltsamerweise habe ich ein Gefühl, als wenn man diese Band schon länger kennen sollte, dem ist in Wirklichkeit aber nicht so, denn eine illustre oder gar langjährige Bandgeschichte steht nicht hinter dem Projekt. Auch mit den Namen dahinter kann ich recht wenig anfangen, sieht man einmal von dem RUNNING WILD-Tribute-Projekt BLAZON STONE ab. Tatsächlich ist die heute auf der Schlachtbank liegende Scheibe die erste vollwertige Veröffentlichung der Schweden nach einer Demo aus dem vorigen Jahr. Zum Stil: Diese Mannen spielen astreinen Heavy Metal, das wird recht schnell klar.

Doch starten wir lieber von Beginn an mit dem Intro: Ein Mann geht schweren Schrittes und außer Atem auf einem steinigen Weg, man stellt sich einen Friedhof vor (passend zum Cover), Orgelmusik setzt ein, und wieder einmal wünsche ich mir innig, in einem Pressekit möge doch mal ein Abdruck des Booklets enthalten sein. "The Secret" schlägt mit seinem hohen Tempoo ein, ehe ich noch lange in Bedauern verweilen kann. Die hart im Shredding befindliche Rhythmusgitarre untermalt eine neoklassische Lead-Line, die von recht eigenwilligem Gesang begleitet wird. Ich gebe jetzt, im Rückblick, gern zu, dass ich mit dem Opener anfangs so meine Probleme hatte. Das liegt aber zum Teil auch am Sound. Seien wir doch mal ehrlich, wir sind heutzutage sehr gläserne Produktionen gewöhnt. Da mutet "The Keeper's Curse" mehr wie Demoqualität an, vor allem vor dem Hintergrund des Vergleichs, den ich später ziehen werde. Das neoklassische Hauptriff wirkt leicht verstolpert, wenn man allzu oberflächlich hinhört - nichts für Gelegenheitskonsumenten. Tatsächlich gründet sich dieser Eindruck auf dem verhalten auftretenden Schlagwerk, dessen Kickdrum zumeist kaum zu vernehmen ist. Wer da am Regler gesessen hat, hat der Snare wesentlich mehr Bedeutung beigemessen, was vor allem bei den schnelleren Passagen, in denen eigentlich die doppelte Kickdrum drücken soll, unangenehm auffällt.

Die sieben Punkte, die über dieser Textwertung stehen, sind erst gewachsen, soviel will ich an dieser Stelle verraten. Am Anfang schwirrte "The Keeper's Curse" im undankbaren Nirvana zwischen der "Ganz ok"-Wertung und einem guten Album, also ein klassischer Sechseinhalber. Dazu beigetragen hat die relative Länge, die das Album mit der Zeit gewinnt. So etwa ab "Betrayal" dämmerte meine Aufmerksamkeit immer ein wenig weg (vielleicht mal abgesehen von "Dancing Lights", welches nicht nur lyrisch einen echten Lichtblick darstellt), bis ich zu "Vengeance" wieder aus einem seltsamen Dornröschenschlaf erwachte, innerhalb dessen ich mich nur an eine statischem Rauschen ähnliche Generik aus halbwegs akzeptablem Heavy Metal erinnern konnte. Doch vertraut den Worten, die ich spreche, "The Keeper's Curse" ist eines von jenen seltsamen Alben, die einem umso mehr ans Herz wachsen, je öfter man sie hört.

Butter bei die Fische, warum überzeugt der schwedische Rundling nicht von Anfang an? Das liegt zum Einen an der ziemlich organisch geratenen Produktion. Ich verwende dieses Adjektiv als gerade noch so im Guten verortet. Dann lädt natürlich Erik Nordkvists Gesang zum skeptischen Zurücklehnen ein. Die Melodiebögen in den Vocals sind nicht immer optimal gewählt. Angesichts der Tatsache, dass Erik sowieso ein polarisierendes Organ sein Eigen nennt, gewinnt dieser Umstand umso mehr an Bedeutung. Klartext: Erik ist wie Gerrit Mutz. Entweder, man mag ihn, oder eben nicht. Zum Glück für Erik verehre ich den SACRED STEEL-Frontmann total, und derart kauzige Stimmen sind für mich im Heavy Metal einfach zu Hause. Ja, sollte man den Sound von CANDLE in aller Kürze umschreiben, SACRED STEEL wäre keine schlechte Orientierung. In den Gitarren bemerke ich des Öfteren eine leichte Schlagseite zum Death Metal, vor allem die Rhythmusgitarre sägt sehr ordentlich, und Shredding und Riffverhalten in diesem Bereich lassen mich mehr als nur einmal an DISMEMBER oder DEATH denken. In den Vordergrund drängt sich dieser Eindruck jedoch nie.

Ich gerate ins Labern, ein Ende im Schreibfluss zu finden, wird zunehmend schwerer. Faszinierend, wie wenig man ursprünglich zu einer Platte zu sagen hatte, und welche Dimensionen das durch Bier aufgeblähte Gehirn in die letztliche Schreibtätigkeit presst. Ich will CANDLE an dieser Stelle ein Kompliment aussprechen, es kommt nicht oft vor, dass ein Album mich zuerst so wenig überzeugen kann, bei dem aber Rotationszahl und empfundene Qualität sich derart proportional verhalten.

Anspieltipps: "The Secret" (gebt ihm eine Chance), "Light At The End", "Dancing Lights"

Fazit

Unter dem Strich bleibt stehen, dass man "The Keeper's Curse" nicht vorschnell verurteilen sollte. Fans von SACRED STEEL werden leichter Zugang zu diesem Werk finden, aber auch solche True Heavy Metal-Veteranen, die vielleicht Sachen wie IRON SWORD und Konsorten konsumieren, werden diesem Album gegenüber offen auftreten, soviel kann ich versichern. CANDLE sind auf einem guten Weg und benötigen lediglich ein wenig Feinschliff. Auf keinen Fall sollte man aber zu sehr an den Ecken und Kanten feilen, denn glattgeschliffen mögen wir unsere Hartwurst eher nicht. Kann man sich geben!

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