Bellgrave - Kindertotenlieder

von Sascha S.

Bewertung: 9/10

Bellgrave Kindertotenlieder

Nachdem sich vor 100 Jahren der gute Gustav Mahler schon diesem Thema angenommen, bzw. diese Texte bereits vertont hat, wurde es allerhöchste Zeit diese in ein neuzeitiges Klangwand zu betten. Bei "Kindentotenlieder" handelt es sich nämlich um Texte (besser gesagt Gedichte), die der deutsche Dichter Friedrich Rückert anlässlich des Todes gleich zweier seiner sechs Kinder zu Papier brachte. Im Dezember 1833 erkrankten alle Kinder Rückerts an Scharlach, wobei die Krankheit in seiner Familie zwei Opfer forderte, nämlich seine einzige Tochter Luise und ihr Brüderchen Ernst. Friedrich Rückert war davon so betroffen, dass er ganze 428 Gedichte schrieb, in denen er versuchte den Tod und den Verlust zu verarbeiten. Harter Tobak, aber damals leider kein Einzelfall, und wenn man sich dieser Geschichte bewusst ist, klingt BELLGRAVEs Version von "Kindertotenlieder" wirklich wie die perfekte Neuzeit-Version dieses Themas.

Die Berliner Kapelle BELLGRAVE hat sich tatsächlich daran gewagt diese gewaltigen und emotionsgeladenen Zeilen musikalisch in die heutige Zeit zu transportieren. Wie vor einigen Monaten bereits SLIME es mit ihrem "Sich fügen heißt lügen" vorgemacht haben, ist es auch hier so, dass man sich in die Texte erst einmal rein hören muss, zumindest geht es mir so. Es klingt in der heutigen Zeit einfach komisch und erinnert mich im ersten Moment zu sehr an irgendwelche möchtegern-theatralischen meist Gothic-irgendwas Bands bei denen die Sänger reihenweise wimmernd auf der Bühne zusammenbrechen. BELLGRAVE haben den Dreh aber ganz klar raus und hauen dem Hörer mit ihrem brachialen Sound das eine oder andere Mal ungeniert grinsend aus dem heimischen Sessel. Musikalisch begibt sich "Kindertotenlieder" auf eine interessante stilübergreifende Reise. Das Grundgerüst ist irgendwo im (Gothic) Death Bereich angesiedelt und wird durch rockige Ausbrüche schön aufgelockert. Die Neue Deutsche Härte-Bewegung ist an BELLGRAVE aber auch nicht spurlos vorbeigezogen und so kommen einem Bands wie OOMPH! oder die Nachbarn von RAMMSTEIN in den Sinn.

"Kindertotenlieder" ist ein Album, das Genre übergreifend vielen Leuten gefallen dürfte. Da es sich hier tatsächlich um eine Eigenproduktion handelt, muss man auch einmal auf die Professionalität des Releases hinweisen das keine Wünsche offen lässt. Wenn sich die Jungs von BELLGRAVE zusammenreißen und der Band zukünftig etwas mehr Aufmerksamkeit schenken (vier Alben in 18 Jahren Bandgeschichte sind nicht wirklich viel) bin ich mir ziemlich sicher, dass sie den großen Wurf schaffen könnten. Dieses Album hat eure Aufmerksamkeit und Respekt verdient... genug geschwafelt, hört einfach rein!

Anspieltipps: Der Opener "Ihr nicht seid mir gestorben allein", "Lebensherbst" und "Sternenaugen"

Fazit

BELLGRAVE haben sich mit Friedrich Rückerts "Kindertotenlieder"-Gedichten einem wirklich schweren Projekt zugewandt und meistern dieses mit Bravour. Die Texte und die Musik passen erstaunlicher Weise perfekt zueinander und lassen dieses Werk nicht spurlos an einem vorbeiziehen. Neue Deutsche Härte meets Death Metal meets Gothic, oder so ähnlich. Alle schwarz gekleideten Randgruppen die etwas mit Metal anfangen können dürfte "Kindertotenlieder" ansprechen. Riskiert ein Ohr oder kauft die Scheibe gleich im bandeigenen Shop für läppische 8 Euro (plus Porto).

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