Torfrock

von Rüdiger Vinschen

Torfrock

Titelfoto Copyright: Jens Sauerbrey

Rüdiger: Hallo zusammen und vielen Dank für dieses Interview! Wir als Magazin sind zwar nur eine "kleine Klitsche", aber klein hat ja jeder mal angefangen. Wie war das für TORFROCK in den Anfangstagen? Habt Ihr damals auch von der Bekanntheit von KLAUS & KLAUS profitiert?

Raymond: TORFROCK gab es ja schon vor KLAUS & KLAUS. Die erste Runde TORFROCK ging von 1977 bis 1982. 1984 hat sich KLAUS & KLAUS formiert, das ging dann bis in die 90er, wenn ich mich richtig erinnere. Wir haben also letztendlich von der Popularität nichts gehabt. Die Leute waren happy, als wir nach unserer Pause wieder angefangen haben. 1982 haben wir Schluss gemacht, weil die Neue Deutsche Welle uns auf der Standspur überholt hat. Die Art, wie wir Musik gemacht haben, fiel in der Zeit damals einfach aus dem Rahmen. Also haben wir einfach aufgehört, ohne irgendwas zu sagen, und wollten mal sehen, was später noch so geht.

Und dann haben wir uns 1988 wieder getroffen. Das war die Idee von Radio Hamburg. Einer der Radiomoderatoren fragte mich damals, ob wir '82 eigentlich ein Abschiedskonzert gespielt hätten, und ich sagte: "Nein, haben wir nicht". Also hat er mich gefragt, was ich davon halte, wenn Radio Hamburg das ultimativ letzte TORFROCK-Konzert ausrichtet, quasi so als Gag. Ich fand das gut, wusste aber nicht, was die Jungs davon halten würden. Jeder hatte ja seine eigenen Eisen im Feuer, und TORFROCK war ja schon Jahre her. Aber die habe ich dann nach und nach abgeklappert und hab' von denen das OK gekriegt. Zuerst war nicht die große Begeisterung da, der eine oder andere hatte dann auch schon ein Kind oder so, und auf einmal kommt der alte Sack von der Band wieder an. Aber letzten Endes war die Zustimmung da, und eigentlich sollte es ja auch bei dem einen Konzert bleiben. Eigentlich.

Rüdiger: Der große Erfolg kam dann danach. Hier in Wacken habt Ihr ja quasi ein Heimspiel, wie auch auf der Kieler Woche oder anderswo in Norddeutschland. Habt Ihr auch viel Zuspruch beim internationalen Publikum, oder ist TORFROCK mehr was für Norddeutsche?

Raymond: Wenn man zum Beispiel Wacken nimmt, wo 20.000 Leute vor der Bühne stehen...

Stefan: 40.000.

Raymond: 40? Egal, das werden ja nicht alles Norddeutsche gewesen sein. Wir haben mit Sicherheit irrsinnig viele Leute erreicht. Uns ist das schon öfter aufgefallen, wenn wir zum Beispiel mit ausländischen Mitmusikern gearbeitet haben, dass die TORFROCK einfach toll finden. Natürlich nicht von den Texten her, davon verstehen sie ja kein Wort, aber die finden das geil, dass das 'ne Band ist, die 1.000 verschiedene Stile drauf hat, von Bretterrock, Tango über Folklore bis zu 50er und 70er Jahre Rock. Das fasziniert immer wieder.

Stefan: Das ist halt tanzbarer Kontrast. Das ist was ganz Anderes, was gerade hier funktioniert, weil es verständlich ist. Wir machen keinen Vollblut-Metal, sondern tanzbare Folklore mit klarem Rhythmus und klarer Melodie. Da ist es, glaube ich, völlig egal, ob Du den Text verstehst oder nicht. Natürlich hören uns ganz viele Deutschsprachige, das ist schon die Masse. Du siehst aber auch auf den Konzerten, wie sich das mit der Zeit hochschaukelt. Natürlich sind da im Publikum die Kerne, die bei jeder Nummer dabei sind, und die anderen kommen langsam, wenn sie den Song verstanden haben, auch wenn sie ihn von der Sprache her nicht verstehen.

Volker: Bei einer finnischen Rockband gehst Du ja auch nicht danach, wie gut Du den Text findest, sondern da nimmt Dich die Musik erst mal mit. Irgendwann kommen dann Teile des Texts hinterher, aber wenn der Song gut ist, ist der Text auch egal. Hauptsache, irgendwas passiert da in der Musik.

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Rüdiger: Wobei finnischer Metal da eine kleine Besonderheit darstellt. Ich hab' mal gehört, bei einer Umfrage, warum ein Finnisch-Studium begonnen wird, hätten etwa 80% als Begründung "Metal" angegeben.

Volker: Ich sprach gerade absichtlich von finnischem Rock, weil man bei finnischem Metal, glaube ich, kaum irgendwas vom Text versteht. (macht Growlgeräusche)

Stefan: Unter dem Strich bleibt, dass mit so einem Set-Up wie hier in Wacken eine Band wie TORFROCK einfach funktioniert. Wir haben ja selber gesehen, dass Leute, die aus Neugier kommen, dann nicht weggehen, sondern einfach dableiben. Entweder sind sie fasziniert von den Vögeln, die da auf der Bühne stehen, oder sie sind glücklich, weil die Musik sie einfach greift. Wir sind ja auch die absoluten Kontrastmacker hier auf diesem Festival. Da gibt es höchstens noch diese Feuerwehrkapelle, aber da hört's dann schon auf.

Volker: Wenn wir den Worst Case betrachten und das wirklich 40.000 waren, die nur aus Norddeutschland kamen, dann ist das auch nichts, worüber man unglücklich sein muss. (lacht)

Rüdiger: Ihr habt den anderen Musikern auf der Hauptbühne schon richtig Konkurrenz gemacht. Ich stand etwas weiter hinten, und gerade vor der Party Stage strömten bis zum Schluss immer noch Leute rein und blieben stehen.

Stefan: Dass die Leute entweder abhauen oder stehenbleiben, das ist für uns das einzig Messbare, um zu sehen, ob man bei den Leuten ankommt. Hier sind zumindest gefühlt alle dageblieben, und das zeigt uns natürlich, dass wir irgendwas richtig gemacht haben.

Volker: Das Party Stage Areal war einfach komplett voll.

Raymond: Ich finde das auch witzig, dass die Metal-Leute uns entdecken. Das ist ja von uns keine Idee gewesen, um neue Räume zu erschließen. Das läuft über Jahre jetzt schon ganz langsam, dass in dem Sektor das Interesse und die Akzeptanz immer intensiver werden.

Rüdiger: Ihr seid ja auch nicht zum ersten Mal in Wacken gewesen, vorher wohl auf kleineren Bühnen.

Raymond: Ja, fünf oder sechs Mal waren wir schon da. Wir haben ganz am Anfang auf der großen Bühne gespielt, aber nachts um halb drei. Das macht keine Laune, vor allem, wenn Du Scheißwetter hast. Dann sind wir rübergekommen auf die Wackinger Stage. Da war der Platz eigentlich immer zum Bersten voll. Jetzt sind wir wieder auf der Party Stage, und das ist auch ein guter Platz für eine Band wie uns.

Rüdiger: Dass Ihr im Metalbereich im Kommen seid, glaubt Ihr, das hat auch was mit der Wikinger-Thematik zu tun? Metaller können ja gut auf Wikinger.

Raymond: Meinst Du? Vielleicht so'n büschen. Das wäre ja ein witziger Effekt. Das ist mir noch gar nicht aufgefallen, aber Du hast recht.

Rüdiger: Oder die finden einfach nur die Mucke gut. Das kann natürlich auch sein. Habt Ihr von ganz weit weg eigentlich schon mal Fanpost bekommen? Was war denn da so das weiteste?

Raymond: Aus den USA haben wir welche gekriegt. Und wenn ich bei Facebook mal so in die Statistik gucke und dem Zeug glaube, da werden wir auch in Äthiopien geklickt, so einmal die Monat. Die meisten Klicks kommen natürlich aus Deutschland, dann kommen Großbritannien und die USA, Frankreich, die Beneluxländer und so. Man kriegt ja heute eigentlich keine Fanpost mehr, und leider auch keine schöne Briefmarke. (lacht)

Rüdiger: Auf andere Arten kann man natürlich auch mitbekommen, wie beliebt man ist. Ihr habt vor kurzem was mit Hack Norris und Ralle Randale gemacht, die wollten "Der Boxer" covern, und da habt Ihr ein Video gemacht. Wie ist das Cover denn geworden?

Raymond: Das ist lustig, ja, kann man machen. Die haben auch immer gesagt: "Passt auf, wenn Ihr das bescheuert findet, dann sagt uns das. Dann lassen wir das." Das sind ganz feine Jungs, die haben sich auch gleich bei uns gemeldet und gefragt, ob sie das dürfen. Und dann haben die erst mal alleine Blödsinn gemacht, und dann sind sie zu mir rausgekommen, und wir haben da noch mal einen Nachmittag lang Blödsinn gemacht. Da haben die einen hübschen, kleinen Clip draus geschnibbelt. Guck einfach mal rein, wenn Du Zeit hast, und dann weißt Du, was da abgeht.

Rüdiger: Habt Ihr nur das Video zusammen gemacht, oder vielleicht auf dem Album auch einen Gastauftritt hingelegt?

Raymond: Nein, mit der Musik haben wir gar nichts zu tun. Wir haben nur im Video als Gaststars ein büschen rumgekaspert.

Rüdiger: Ihr habt natürlich mittlerweile Legendenstatus, seid aus Norddeutschland kaum noch wegzudenken. Die Stimmen sind allein schon durch die "Werner"-Filme sehr bekannt. Wollt Ihr das so halten wie Lemmy, so lange weiterzumachen, wie es geht?

Raymond: Solange man uns das noch abkauft, solange wir gesund sind und Spaß haben, machen wir das weiter. Was Besseres kann uns gar nicht passieren.

Rüdiger: Ich glaube, die Fans muss man da nicht fragen. Die kennen nur eine Antwort.

Raymond: Das ist ja grad der Knaller, dass das immer neue Leute gibt, die das toll finden. TORFROCK gehört in Norddeutschland mittlerweile wirklich zur Allgemeinbildung. Geiles Feeling!

Stefan: Also, wir beide (Volker und ich) sind jetzt erst Anfang, Mitte 40, das muss noch mindestens 20 Jahre so weitergehen!

Rüdiger: Wenn Ihr mal soweit seid, ist sowieso Rente mit 70 angesagt, was?

Stefan: Das ist dann vermutlich keine Frage mehr. Man geht dann in Rente, wenn man es sich leisten kann, und ansonsten nicht. Aber das Tolle ist ja, was man hier auch wieder sieht, dass Leute mit Anfang 20 auf unsere Musik stehen. Und das ist ja nicht nur hier so, egal, wo wir hinkommen. Da sind auch nicht nur Leute aus der Region, sondern auch viele, die von weiter weg kommen, weil sie uns sehen wollen. Da kommen wirklich alle. Wir haben Shows gespielt, da steht hinten links der Akademiker mit seiner Frau und trinkt schön seinen Rotwein, und vorne die harten Fans, und da auch von jung bis alt. Wir merken das, dass die Leute jünger werden. Die stehen da, kennen den Text, und das haben wir nicht nur einmal gemerkt, sondern immer wieder. Das finde ich faszinierend, dass wir eine Band sind, die Leute von sieben bis 70 füttert. Da stehen drei Generationen in der Halle, da musst Du einfach weitermachen.

Rüdiger: Das ist bei uns zu Hause auf privaten Partys genauso. Irgendwann wird einfach immer TORFROCK gespielt, weil die Leute drauf gut können und Party machen wollen.

Stefan: Ja, das ist lustige Gut-Drauf-Musik, der Rhythmus ist da, die Melodie ist da, die Texte sind witzig, es ist für jeden was dabei. Und ich glaube, bei vielen ist es mittlerweile auch Tradition. Da sagen die Eltern sich "TORFROCK kenn' ich noch von meinen Eltern aus dem Partykeller", durch die Bank weg sind die Leute damit groß geworden.

Raymond: Da entwickelt sich über die Jahre eine gewisse Eigendynamik. Wenn das über Jahrzehnte läuft und durch junge Leute immer wieder hochgehalten wird, dann ist das irgendwann gut oder wird als gut empfunden.

Rüdiger: Tradition ist ein guter Stichpunkt. Einige traditionelle Themen habt Ihr in Euren Texten drin, wenn man jetzt z.B. ans Krabbenpulen oder Torfstechen denkt. Das sind Dinge, die man als typisch norddeutsch ansehen würde. Die Tätigkeiten sind ja mittlerweile weitestgehend verschwunden, was ist denn eigentlich heute noch typisch norddeutsch?

Torfrock - Copyright Jens SauerbreyRaymond: Norddeutscher als Torfstechen geht ja nun gar nicht. Aber was ist heutzutage typisch norddeutsch? Das ist 'ne gute Frage. Fischbrötchen und so'n Quatsch.

Stefan: Ferienhäuser an der Ostsee bauen. (lacht)

Volker: Zu Hamburger Preisen. (lacht)

Stefan: Im Zeitalter von Dr. Google ist es schwer, ein Alleinstellungsmerkmal zu finden.

Rüdiger: Ein schöner Abschluss, wie ich finde. Mir bleibt nur, Euch nochmals für dieses Interview zu danken. Habt Ihr noch was, das Ihr den Fans gerne mitteilen würdet?

Volker: Nächstes Jahr wird TORFROCK 40 Jahre alt.

Raymond: Da sind einige Jubiläumsaktionen geplant, einige besondere Sachen. Genaueres können wir noch nicht sagen, aber das wird gut. Dann wollen wir uns auch nochmal bei den Leuten hier in Wacken bedanken für die tolle Resonanz, das war grandios. Wir grüßen auch die Kollegen beim Reaperzine und wünschen Euch weiter viel Erfolg mit Eurem Magazin!

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