Toforgive

von Rüdiger Vinschen

Toforgive

Neben Malte, der bereits einen Konzertbericht zum zweiten Boiled in Blood veröffentlicht hat, tummelte sich in Person von Rüdiger in der Alten Post in Emden ein weiterer Reaperzine-Redakteur. Er hat die Gelegenheit beim Schopf und Sänger Marco Ohdens von der Emder Mosh Metal-Formation TOFORGIVE gepackt und mit ihm über die Band, die Szene und Fanzines gequatscht.

 

Rüdiger: Hallo Marco! Heute sind wir beim TMC – Boiled In Blood, und davon ist das bereits die zweite Ausgabe. Ihr Jungs von TOFORGIVE seid heute Abend die Lokalmatadoren.

Marco: Heimspiel.

Rüdiger: Genau. Wie läuft das hier in der Alten Post? Ich zum Beispiel bin heute Abend zum ersten Mal hier. Was erwartet uns gleich?

Marco: Viele Leute, hoffe ich. Das ist immer so ´ne Sache. An dem Lineup und an der Werbung liegt’s nicht, die sind top, wenn dann höchstens an den Leuten. Ich denke aber, dass heute Abend wohl einige kommen werden. Ich würde mich freuen, wenn 120 kommen, alles was on top ist, ist geil.

Rüdiger: 120 klingt gut. Habt Ihr einen guten Stand in der Emder Szene?

Marco: Ja, schon! Uns gibt’s in dieser Besetzung seit 2006. Ich mache schon etwas länger Musik, wohl mit einigen Besetzungswechseln, aber in der Form gibt’s uns seit 2006, und seitdem haben wir uns schon ´ne kleine Fanbase erschaffen. Darauf haben wir’s nicht angelegt, aber die Leute denken „Ey, geil, die machen Death Metal, aber nicht von der Stange, sondern was eigenes.“ Klingt natürlich erstmal doof, jeder will natürlich eigenständige Musik machen. Aber wir sind etwas anders, ein bisschen rhythmischer, anders von der Songstruktur her. Wir machen diese klassischen Songstrukturen, Drei- oder Vier-Riff-Politik nennt sich das. Wir spielen wie die Klassiker von vor 1990, vier Riffs, gutes Arrangement. Heute ist das ja eher üblich, nach dem Motto „höher, schneller, weiter“ mit neunzehn Riffs pro Song zu arbeiten, da kannst Du eigentlich ein ganzes Set draus machen. Das ist so unsere Struktur, die wir gern haben, und da gehen wir auch voll drin auf.

Rüdiger: Neben den Thrashern seid Ihr zusammen mit DEVASTATOR für den Death Metal zuständig.

Marco: Ja, im Großen und Ganzen schon. Mein Gesang ist tief, auf jeden Fall Death Metal-like, aber es ist halt ein bisschen rhythmischer. Wir haben irgendwann mal den Begriff „Mosh Metal“ draufgeschrieben, weil ein bisschen Spaß auch dabei sein muss. Es ist jetzt nicht nur „Knüppel aus dem Sack“, das muss man sich einfach mal anhören.

Rüdiger: Ihr spielt also nicht nur „Auf die Fresse.“

Marco: Nein, auf keinen Fall. Wir sind hauptsächlich eher im Midtempo-Bereich unterwegs, nur in ein paar Songs werden wir auch mal etwas schneller. Heute spielen wir als Opener, was ja erstmal nicht der beste Platz ist, aber wir haben den Heimspielbonus, und da gibt’s wesentlich schlechteres.

Rüdiger: Heißt, Ihr heizt das Publikum für die ortsfremden Bands richtig schön an.

Marco: Ja klar, auf jeden Fall. Ich habe schon diverse Leute getroffen, die wegen uns gekommen sind und sich von den anderen Bands dann natürlich gern weiter den Abend verschönern lassen.

Rüdiger: Cool. Unser Fanzine ist heute Abend ja auch mit einigen Leuten dabei. Was diese Fanzines angeht, da gibt’s ja jede Menge mittlerweile. Wie bewertest Du deren Rolle heute?

ToforgiveMarco: Das finde ich generell gut, die Fanbase ist dadurch gesichert. Wir machen schon seit so einigen Jahren Musik, und wir kriegen auch mit, dass man bei einigen einschlägigen, größeren Zeitschriften (ich nenne jetzt keine Namen) zahlen muss, um da mal einen Bericht von sich zu lesen. Jede Band wünscht sich mal ein Review, egal ob schlecht  oder gut, das liegt immer im Auge des Betrachters. Aber ich finde es nicht in Ordnung, wenn man richtig Geld auf den Tisch legen muss, um da reinzukommen. Und ein Label ist genauso Voraussetzung. Hast Du kein Label, kommst Du nicht rein, keine Chance. Ich mache seit 1990 Musik, bin sozusagen der Band-Opa. Und wenn ich mir seit damals den Werdegang dieser großen Zeitschriftenmacher und Labelmacher anschaue, trifft der Spruch „es verdienen immer nur die anderen“ noch am besten. Dabei gehen das Objektive und die Lust an der Musik ein bisschen verloren. Es gibt so viele gute Bands, aber für viele ist es ein echtes Problem, dass man für Publicity zahlen muss. Man kann überall spielen, aber man muss dafür zahlen. Das finde ich ganz schlimm. Und da finde ich diese Fanzines auf einem gewissen Level total knorke, weil die erstmal auf eigene Kosten angereist kommen, sich für Bands wirklich interessieren, sie tragen konstruktive Kritik an die Bands heran. Du als Interviewer, geh ich jetzt einfach mal von aus, hast eine relativ neutrale Meinung und keine Band, die Du bevorzugen würdest. Natürlich gibst Du Deiner persönlichen Lieblingsband schon eine Hammer-Bewertung, ist klar.

Rüdiger: ´Türlich.

Marco: Aber durch einen neutralen Bericht können die Leute hergehen und sagen „Hey, TOFORGIVE, klingt ganz cool, was der da schreibt.“ Daraus ziehen die Leute ihre Informationen, und das find ich super.

Rüdiger: Das kommt natürlich immer drauf an. Aber für uns Zines steht das Motto „Support Your Local Underground“ im Vordergrund. Das finden wir sehr wichtig.

Marco: Total. Dieser Support ist ganz wichtig, auch dass wir uns hinstellen und den anderen Bands mit Equipment aushelfen, die Backline stellen, den Opener machen, ist für uns selbstverständlich. Wir haben auf jeden Fall Bock zu spielen und heute Abend zwei neue Songs mitgebracht.

Rüdiger: Nach Euren Besetzungswechseln gibt’s also wieder neues Material?

Marco: Endlich mal wieder, wir haben den Schlagzeuger und zwei Gitarristen gewechselt, und das ist eigentlich eine ziemlich ungünstige Konstellation, wenn nur Bass und Gesang übrig bleiben. Aber wir haben mit intensiver Suche auch relativ schnell sehr gute und sehr motivierte Leute gefunden, nachdem wir eine halbjährige Durststrecke überwinden mussten.  Danach kam uns das Ganze ein bisschen vor wie eine TOFORGIVE-Coverband, weil wir die ganzen alten TOFORGIVE-Songs erstmal mit den drei Neuen üben mussten. „Coverband“ klingt jetzt vielleicht im ersten Moment doof, aber es ist halt mehr oder weniger ein Nachspielen. Ein wenig verändert das auch die Songs. Jeder bringt andere Facetten mit rein, Du hast hier Abstriche und da Pluspunkte, die Dynamik nimmt zu. Aber am wichtigsten ist das Gefühl, wieder eine Band zu haben. Und das macht richtig Spaß. Wir haben auch schon diverse Ansätze für neue Songs gehabt, haben vieles wieder verworfen, um wirklich nur das Beste rauszuholen. Und davon bringen wir heute Abend zwei neue Songs mit, von denen man sagen kann, dass das die neue Handschrift von TOFORGIVE ist. Das ist das, was wir machen wollen, mit Option nach oben.

Rüdiger: Kannst Du mich da grad ein bisschen erleuchten? 2010, 2011 etwa wolltet Ihr schon eine Platte mit neuem Material namens „Dead And Buried“ rausbringen, das hat dann aber nicht so geklappt. Was ist daraus geworden?

Marco: Eigentlich ist die CD komplett aufgenommen, abgemischt und gemastert. Wir hätten die vielleicht noch an ein Presswerk verschicken können, die Option war da. Das zog sich ein bisschen hin, und just dann kristallisierte sich eine kleine Krise bei uns heraus, und das zum unmöglichsten Zeitpunkt. Es kriselte also bei uns ein bisschen, und das war auch das Aus für diese Veröffentlichung. Sehr schade, das waren acht wahnsinnig gute Songs, nur eben wegen des Stimmungswechsels in der Band zum Scheitern verurteilt. Nach diesem Streit folgte dann die Trennung, und über die Rechte an dem Material haben wir uns so geeinigt, dass die Anderen das Material von der neuen Scheibe bekommen haben, und wir die alten Songs. Letztendlich sind wir froh über diese Lösung, das ist ein sauberer Cut, obwohl es schade drum ist.

Rüdiger: Ihr arbeitet nun also an komplett neuem Material und in eine ganz andere Richtung?

[Anm. d. Red.: Mittlerweile ist Bassist Ron dazugekommen.]

Marco: Wir arbeiten weiter an Songs in einem Tempo, das besser zu uns passt, wie auf der „Pain In Me.“ Unsere ehemaligen Bandmember wollten eher in die schnellere Richtung, wir aber nicht.

Ron: Die Leute sollen noch vor der Bühne stehen und ein Bier trinken und headbangen können, und nicht nur Frickelkram geboten bekommen.

Marco: Und wir legen Wert auf einen roten Faden in der Musik.

Ron: Wenn Du den nicht hast, dann bist Du vielleicht grad am Headbangen, und dann kommt ganz unerwartet wieder was anderes, ein schneller Part, und das bringt Dich wieder raus.

Marco: Dieser Split der Band ging auch vom Schlagzeuger aus. Wer weiß, vielleicht hätten ein halbes Jahr später wir gesagt, dass die Musik zu schnell, zu technisch wird.

Rüdiger: Technischer Metal, Uptempo, Blastbeats, das ist nicht so Euer Ding?

Marco: Nicht wirklich. Man macht das eine gewisse Zeit mit, denn Weiterentwicklung ist nie schlecht. Ohne Weiterentwicklung ist es, als sitzt Du in einem Schaukelstuhl, Du bist ständig in Bewegung, kommst aber nie von der Stelle. Eine Steigerung musst Du haben, egal in welche Richtung. Die Songs werden ausgereifter, Du wirst technisch besser, aber für Dich ist am Ende entscheidend, in welche Richtung die Entwicklung geht. Im Endeffekt war es am besten so, denn so können wir unseren roten Faden, das rhythmische, das Midtempo weiterfahren, ohne dass jemand andere Ambitionen hat. Die anderen Jungs machen ihr Ding, und das ist in Ordnung so.

Rüdiger: Kann man dann irgendwann mal mit einem Release rechnen, habt Ihr da was in Planung?

Marco: Die zwei neuen Songs sind das, was wir haben. Ein dritter ist schon in der Entstehung, und ich denke, der wird genauso gut. Ich denke, ab vier Songs kann man mal dran denken, so ein Split-Ding zu machen, oder eine Vier-Song-EP rauszubringen. Wir könnten auch warten, bis wir acht Songs für ein Album zusammen haben, aber mit vier Songs im Gepäck und einer neuen Veröffentlichung setzt man auch ein deutliches Signal. Ich denke, wenn vier Songs stehen, kann man über eine Veröffentlichung nachdenken, evtl. mit einer anderen Band. Eine Split-LP, A- und B-Seite, finde ich z.B. interessant. Wollte ich schon immer mal machen.

Ron: Wär natürlich geil, als Vinyl. So ´ne 300er Auflage oder so, für Fans. Und danach als CD.

Marco: Also, aufnahmetechnisch machen wir auf jeden Fall dieses Jahr nichts mehr. Wir haben auch unsere Live-Auftritte ein bisschen runtergeschraubt, haben nicht ganz so viel gespielt, sondern uns auf’s Songwriting konzentriert. Ich werde auch wieder Papa dieses Jahr.

Rüdiger: Oh, Herzlichen Glückwunsch!

Marco: Danke, das dritte Mal schon. Wir sind hauptsächlich dabei, die Karten von TOFORGIVE neu zu mischen. Wir wollen endlich Songs in dieser Konstellation schreiben, damit man irgendwann die alten austauschen kann, die guten alten aber natürlich weiterspielt. Ich denke, wir schreiben noch ein paar Songs, dann ist das Jahr ganz schnell rum, und Anfang 2015 peilen wir vielleicht eine Aufnahme an. Das ist der Weg, den wir gehen wollen.

Rüdiger: Mich interessiert noch ein wenig Deine Vorgeschichte. Du hast in den Neunzigern noch in anderen Bands gespielt, CRUST ist mir da ein Begriff. Wie war damals die Metalszene, die Fanbase in Ostfriesland und um zu, im Vergleich zu heute?

Marco: Jaaa, Ostfriesland war nach Hamburg und den anderen Metropolen Metal durch und durch. Wir hatten in Emden allein zehn Metalbands oder so.

Rüdiger: Die Zeiten waren für den Metal damals nicht immer gut. Ist das hier regional auch eingeschlagen?

Marco: Ja, gegen Ende der Neunziger wurde der Metal anders, und mit dem Alter veränderte sich die Szene. Bei uns kamen Schulabschluss, Arbeit, Familie etc. dazwischen, und man hatte Glück, wenn man sich mit einer Band halten konnte. Wenn man in dieses Alter kommt, fluktuiert eine Band ziemlich, und ich bin damals bei CRUST auch als erster ausgestiegen. Schade war das schon, ich hätte gern noch ein, zwei Gigs mitgemacht, aber es kam eins zum anderen, und eineinhalb Jahre später war CRUST Geschichte.

Rüdiger: War das ein richtiger Generationswechsel in der ganzen Szene?

ToforgiveMarco: Ja, genau. Die Jüngeren haben dann auch angefangen, anderes zu hören. Für uns gab’s damals Thrash Metal, Death Metal, Speed Metal und Power Metal. Und heute gibt es im Grunde alles, was gefällt.

Ron: Viel Metalcore, Metalcore gab’s damals ja noch gar nicht, höchstens Hardcore.

Marco: Die Szene hat sich letztlich insgesamt verändert, was aber gut so ist. Warum nicht? Man darf die Karten komplett neu mischen. Wir als Band lassen uns auch neu beeinflussen. Natürlich hat jeder irgendwo Einflüsse. Jeder sagt irgendwo „die klingen wie X oder wie Y“, und das ist ok. Du kannst das Rad nicht neu erfinden, Du kannst nur die Karten neu mischen. Man macht’s halt so, wie man möchte.

Rüdiger: Irgendwann ist eben alles mal dagewesen.

Marco: Ja, klar! Wenn einer sagt, er sei nicht beeinflussbar, ist das Quatsch. Das stimmt nicht. Jeder hat ‚ne Lieblingsband, jeder lässt sich von irgendwas beeinflussen. Ich hör auch ehrlich gesagt so ziemlich alles an Musik, außer Techno. Das geht gar nicht. [lacht] Oh, die machen Linecheck, ich glaube, wir sollten langsam los.

Rüdiger: Unbedingt! Ich sage vielen Dank für’s Interview und viel Spaß bei Eurem Gig! Gibt’s noch irgendwas, das Ihr unseren Lesern mitgeben wollt? Letzte Worte?

Marco: Auf jeden Fall. Stay Metal, bleibt dabei. Supportet weiterlokale Bands, auf jeden Fall! Geht auf Konzerte, die Konzerte hier sind der Hammer, allein heute spielen vier Bands für unter 10 Euro, das ist Wahnsinn. Ich hoffe, dass wir so bleiben, dass sich die Fanbase nicht immer weiter auflöst, sondern dass die Leute dabei bleiben. Stay Metal.

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