Sacramento

von Malte H.

Sacramento

Interviewreihe "Chilenischer Metal" - Teil 1

Im Zuge eines Specials zur Metalszene in Chile, dem langgezogenen Land an der Westküste Südamerikas, haben sich diverse Metaller bereiterklärt, einen Fragebogen zum Leben in Chile, der hiesigen Metalszene und den Einflüssen und Umständen im Land zu beantworten.
In den nächsten Wochen werden wir nach und nach die Fragebögen für euch veröffentlichen, damit ihr euch selbst einen Überblick über die unterschiedlichen Sichtweisen der Bands verschaffen könnt. Des Weiteren wird es einen zusammenfassenden Artikel über die Szene geben, den ihr euch dann zu Gemüte führen könnt.

Den Anfang dieser Interview-Reihe macht Alejandro Espinosa, Gitarrist und Sänger der Gothic Metal Band SACRAMENTO aus der Landeshauptstadt Santiago de Chile.

 

Malte H.: Bitte stelle dich zu Beginn kurz vor:

Alejandro: Mein Name ist Alejandro Espinosa, ich bin chilenischer Gitarrist, Komponist, Sänger, Produzent und Songwriter. Meine Hauptband ist im Moment SACRAMENTO.

Malte H.: Wie kamst du zum Metal?

Alejandro: Das war die Schuld meines älteren Bruders. Als ich noch ein Kind war, hörte er andauernd Bands wie IRON MAIDEN, OZZY OSBOURNE und ACCEPT.

Malte H.: Was ist deiner Meinung nach die Faszination des Metal? Und was ist deine Inspiration, genau solche Musik zu spielen?

Alejandro: Der Sound, die Stärke, der Klang von tiefgestimmten, verzerrten Gitarren, die Aggressivität, die Wut, Lautstärke, starke Lyrics, die Möglichkeit, die Welt akustisch zu hassen, das ist einfach klasse!!

Malte H.: Chile ist ein sehr katholisches Land. Inwiefern beeinflusst das deine Wahl, Metal zu spielen?Alejandro Espinosa

Alejandro: In meinem Fall hatte das nichts damit zu tun, dass ich angefangen habe, Metal zu spielen, auch wenn ich es liebe, katholische und / oder christliche Kunst in meiner Musik zu verwenden, z.B. bei Albumcovern, Logos, Namen etc.. Ich bin jedoch keiner bestimmten Religion zugewandt. Ich glaube auf meine Weise an Gott, das ist alles.

Malte H.: Ich würde gerne wissen, wie Metal nach Chile kam. Gab es eine bestimmte Location oder eine bestimmte Band? Oder war es vielmehr so, dass irgendwer in Santiago angefangen hat, es zu spielen und von da verbreitete es sich wie eine Krankheit?

Alejandro: Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung. Ich denke, es war irgendwann um 1980 herum, als die ersten Rock Bands anfingen, was zu machen, aber es war nicht vor 1987, das jemand auf die Idee kam, eine richtige Metal Band zu gründen, die, wie ich denke, von SLAYER und POSSESSED beeinflusst war. Ich würde in diesem Zusammenhang auf PENTAGRAM tippen, aber ich bin mir nicht wirklich sicher, ob sie die Pioniere auf diesem Gebiet waren, da ich zu dieser Zeit außerhalb von Santiago gelebt habe und zudem noch ein Kind war.

Malte H.: Viele der Metal-Bands aus Chile scheinen sehr dunkel und extrem zu sein. In welcher Hinsicht haben die geographischen, historischen (z.B. die Diktatur von Pinochet in den 70ern und 80ern) und kulturellen Umstände in Chile Einfluss auf den chilenischen Metal-Stil genommen?

Alejandro: Vielleicht war Pinochet und dessen Diktatur irgendwie ein Einfluss, aber in negativer Hinsicht… Ich meine, als er das Land führte waren sämtliche kulturellen Aspekte verboten, weshalb sich in Chile eine Art Lagune auftat. Die Menschen hatten nichts anderes zu tun als das Radio anzuschalten und sich gezwungenermaßen fremde Musik anzuhören. Dieser Umstand provozierte große Bewunderung für alles, was von außerhalb kam, und dann, als die Demokratie wieder in unser Land zurückkehrte, begann jeder, sein eigenes Projekt zu gründen, doch es war schwer, etwas eigenes auf die Beine zu stellen und es mit einer Seele zu füllen. Für jeden hat das, was man macht, Ähnlichkeit mit irgendeinem bekannten Künstler oder einer bekannten Band und die Bewunderung für chilenische Künstler ist erheblich geringer als für ausländische Künstler. Eine Schande ist das.

Malte H.: Wie ist die Infrastruktur der chilenischen Metalszene? Ist sie gut organisiert? Wie groß ist die Szene und wie sieht es mit Möglichkeiten aus, live auf Konzerten oder Festivals zu spielen?

Alejandro: Es wird langsam besser, zumindest wir, die Bands, leisten gute Arbeit, indem wir gute Scheiben veröffentlichen, die einen professionellen Sound, gutes Songwriting, Videos, Artworks etc. haben. Aber ich denke, Konzertveranstaltern und Locations fehlt immernoch die Infrastruktur, auch wenn es darum geht, Bands zu bezahlen. Die denken immernoch, sie tun den Bands dadurch einen Gefallen, dass sie ihnen die Möglichkeit geben, live in ihrem Lokal zu spielen, verstehen jedoch nicht, dass das auch ein Job ist, der bezahlt werden will.
Was die Sache mit dem Spielen auf Konzerten und großen Festivals angeht, kommt es auf die Nachfrage der Bands an, hängt jedoch auch davon ab, ob man der Freund eines Veranstalters ist, das ist hier recht geläufig und ich hoffe, dass das eines Tages aufhört, damit Bands aufgrund ihrer Musik solche Shows spielen können und wegen nichts anderem.

Malte H.: Gibt es außer Australis Records noch andere große Labels in Chile? Und wie schwer ist es für eine chilenische Metalband, auf einem ausländischen Label unter Vertrag genommen zu werden?

Alejandro: Nicht wirklich, Australis ist das einzige Label hier.

Sacramento

Meiner Meinung nach ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, von ausländischen Labels gesigned zu werden. Ich schätze, dass niemand hier so genau weiß, wieso es bisher kaum jemand geschafft hat, es gibt nur Spekulationen… Vielleicht liegt es an der Distanz, vielleicht daran, dass wir Latinos und / oder aus der dritten Welt sind, haha. Bis jetzt scheint es, als sei SEPULTURA die einzige Band aus Südamerika, die es geschafft hat, eine der wichtigsten Metal-Bands der Welt zu werden, keine andere Band konnte das bisher wiederholen… traurig, aber wahr.

Malte H.: Was sind, deiner Meinung nach, die typischen Trademarks chilenischer Metal-Bands?

Alejandro: Thrash und Death Metal, ich meine sowas wie Geschwindigkeit, gutturalen Gesang, Brutalität, einfach extrem…

Malte H.: Welche sind die einflussreichsten chilenischen Metal-Bands?

Alejandro: PENTAGRAM, CRIMINAL, UNDERCROFT.

Malte H.: Ich habe gehört, dass die chilenischen Metal-Fans die Verrücktesten in ganz Südamerika sein sollen. Kannst du erklären, wieso das so ist?

Alejandro: Aber nur für ausländische Bands. Warum denn verrückt? Wir sind sehr leidenschaftlich, wenn es darum geht, aber es ist ein natürlicher Prozess, denke ich. Zuerst mögen wir eine Band, dann lieben wir sie, dann teilen wir sie und die Passion für ihre Musik bis es etwas unaufhaltsames wird, wie eine Art Religion… Die letzte Show von IRON MAIDEN hier hatte über 60.000 Besucher. Wahnsinn!

Malte H.: Werden Metalheads in der chilenischen Gesellschaft akzeptiert?

Alejandro: Ich denke schon, z.B. gibt es einige, die im Fernsehen arbeiten, was vorher undenkbar war. Mit der Zeit haben die Leute verstanden, was es damit auf sich hat, es ist als würde die Gesellschaft nun sehr entspannt auf uns schauen. Irgendwie haben Rock und Metal es auch geschafft, den Mainstream zu unterwandern, in vielerlei Hinsicht. Die letzte IRON MAIDEN Show z.B. war so massiv, dass sogar ältere Menschen wussten, dass eine Rock Band hier spielen wird.

Malte H.: Wie ist deine Meinung zur südamerikanischen Metalszene im Allgemeinen?

Alejandro: Gut, in vielerlei Hinsicht, aber ich bedauere, dass wir es immernoch nicht schaffen, eine Einigkeit zu zeigen, wie es bspw. die europäische Szene tut. Es ist schwierig, in anderen Ländern zu spielen, eine Tour zu organisieren und so weiter. Mit meiner ehemaligen Band war ich zweimal in Argentinien und einmal in Uruguay, aber es war verdammt viel Arbeit, das alles zu organisieren… Wir könnten enger zusammenarbeiten, aber aus irgendwelchen Gründen scheint das nicht zu klappen.

Malte H.: Wie ist das Leben in Chile heutzutage? Im Human Development Index (HDI) der UN hat Chile einen guten Rank, den besten in Südamerika. Wie hat sich die Szene in den letzten Jahren verändert?

Alejandro: Das Leben in Chile ist gut, es ist ein pazifisches, schönes Land und es ist leicht, den Alltag zu bewältigen. Das Land wächst und das beeinflusst verschiedene Aspekte und so auch die Szene. Ich würde sagen, dass das, was du sagst, sich in technologischem Fortschritt niederschlägt, denn wie jeder weiß, ist es mittlerweile sehr einfach, Zuhause Alben aufzunehmen und all solche Dinge. Es ist also möglich, die eigene Musik in sehr professioneller Qualität zu präsentieren. Außerdem gibt es eine höhere Nachfrage auf Seiten der Fans, Presse, Medien und so weiter, was gut ist. Das sorgt dafür, dass die Bands immer professioneller werden.

Malte H.: Fühl dich frei, den folgenden Platz dafür zu nutzen, alles über Chile, Metal und sonstiges Zeug zu schreiben, was durch meine Fragen noch nicht beantwortet wurde. ;) Außerdem danke ich dir für die Zeit und die Informationen, die du mit mir geteilt hast, um einen Artikel über die Metalszene deines Landes schreiben zu können! Cheers!

Alejandro: Nun, ich danke dir dafür, dass du mich in deine Nachforschungen mit einbezogen hast und ich hoffe, dass meine Antworten und Sichtweisen zu Chile hilfreich waren.
Pass auf dich auf und cheers!!

Zurück