Necrosis

von Malte H.

Necrosis

Interviewreihe "Chilenischer Metal" - Teil 7

Im Zuge eines Specials zur Metalszene in Chile, dem langgezogenen Land an der Westküste Südamerikas, haben sich diverse Metaller bereiterklärt, einen Fragebogen zum Leben in Chile, der hiesigen Metalszene und den Einflüssen und Umständen im Land zu beantworten.
In den nächsten Wochen werden wir nach und nach die Fragebögen für euch veröffentlichen, damit ihr euch selbst einen Überblick über die unterschiedlichen Sichtweisen der Bands verschaffen könnt. Des Weiteren wird es einen zusammenfassenden Artikel über die Szene geben, den ihr euch dann zu Gemüte führen könnt.

Zum ersten Teil: Sacramento
Zum zweiten Teil: TimecodE
Zum dritten Teil:
Dorso
Zum vierten Teil: Folkheim
Zum fünften Teil: Entrospect
Zum sechsten Teil: Poema Arcanvs

Als Siebten im Bunde unseres Specials haben wir Andrés "Andy" Nacrur der seit 1985 im Metal aktiven Thrash Metal Band NECROSIS. Andy weiß insbesondere über die Zustände in Chile einiges zu berichten.

 

Malte H.: Bitte stelle dich zu Beginn kurz vor:

Andy: Ich spiele seit 1983 Schlagzeug und ich begann damit, als Heavy Metal langsam auf sich aufmerksam machte. 1987 habe ich die Band NECROSIS gegründet, vorher habe ich jedoch schon in der Band MASSAKRE (1986 – 1987) gespielt. Ich bin nun 45 Jahre alt und genieße den Metal noch immer.

Malte H.: Wie kamst du zum Metal?

Andy: So wie wahrscheinlich die meisten Musiker, ich hörte und verfolgte Bands wie METALLICA, MERCYFUL FATE, VENOM, IRON MAIDEN, etc.. Als ich 13 Jahre alt war, gab mir mein Vater mein erstes Drum-Set und so wurde ich Musiker.

Malte H.: Was ist deiner Meinung nach die Faszination des Metal? Und was ist deine Inspiration, genau solche Musik zu spielen?

Andy: Nun, mein favorisierter Stil ist Thrash Metal, welcher wohl die natürliche Entwicklung des Heavy Metal ist, Andy Nacrurnur, dass die Kombination aus Riffs und Drums noch mit Aggressivität, Stärke und Geschwindigkeit verfeinert wurde. Das Ganze wurde dann mit sehr aggressiven und rebellischen Texten gemischt.

Malte H.: Chile ist ein sehr katholisches Land. Inwiefern beeinflusst das deine Wahl, Metal zu spielen?

Andy: Ich studierte an einer katholischen Schule und es endete damit, dass ich das ganze Ding zu hassen begann. Ich praktiziere weder Atheismus noch Okkultismus, mit NECROSIS schneiden wir diese Themen jedoch an, wenn wir von sozialer Unzufriedenheit, Umweltschäden, Fahrlässigkeiten, Ungerechtigkeiten und anderen Themen sprechen.

Malte H.: Ich würde gerne wissen, wie Metal nach Chile kam. Gab es eine bestimmte Location oder eine bestimmte Band? Oder war es vielmehr so, dass irgendwer in Santiago angefangen hat, es zu spielen und von da verbreitete es sich wie eine Krankheit?

Andy: Zu Beginn war Heavy Metal eine sehr kleine Bewegung, die nur von Leuten verfolgt wurde, die etwas mehr Geld hatten, denn nicht jeder konnte es sich leisten, Vinyls oder Kassetten zu kaufen. Zu dieser Zeit waren Importgüter wie Musik, Instrumente, Aufnahmeequipment etc. in Chile sehr teuer. Als es zu einer größeren Bewegung wurde, starteten die großen Shows, Firmensitze etc., das war zu der Zeit, als wir anfingen, nach Thrash Metal zu klingen… Um es zusammenzufassen war es eine kleine Bewegung, die in kurzer Zeit zu einem Massenevent wurde.

Malte H.: Viele der Metal-Bands aus Chile scheinen sehr dunkel und extrem zu sein. In welcher Hinsicht haben die geographischen, historischen (z.B. die Diktatur von Pinochet in den 70ern und 80ern) und kulturellen Umstände in Chile Einfluss auf den chilenischen Metal-Stil genommen?

Andy: Thrash war in Chile eine Antwort auf die Regierung und die Gesellschaft (auf allgemeine und polizeiliche Unterdrückung). Wir wuchsen zusammen mit der Punk- und Skinhead-Bewegung auf und waren alle gegen dieses unterdrückende System.

Malte H.: Wie ist die Infrastruktur der chilenischen Metalszene? Ist sie gut organisiert? Wie groß ist die Szene und wie sieht es mit Möglichkeiten aus, live auf Konzerten oder Festivals zu spielen?

Andy: Insgesamt ist die chilenische Szene sehr groß, wenn METALLICA hier sind, kommen mindestens 60.000 Fans, um sie zu sehen und bei IRON MAIDEN würde dasselbe passieren. Sind die Bands, die kommen, nicht ganz so bekannt, wie OVERKILL oder TESTAMENT, und sie würden ihre eigene Headliner-Tour spielen und nicht Support einer größeren Band sein, würden mindestens 1.000 Fans oder so erscheinen, definitiv. Die technischen Bedingungen für solche Events sind in unserem Land sehr gut, vielleicht fehlen uns weitere Locations für diese Art Musik, aber es gibt genug Räumlichkeiten für Shows von großen Künstlern. Die lokalen Bands werden in kleinere Locations mit maximal 300 Fans verbannt.

Malte H.: Gibt es außer Australis Records noch andere große Labels in Chile? Und wie schwer ist es für eine chilenische Metalband, auf einem ausländischen Label unter Vertrag genommen zu werden?

Andy: Australis Records ist eines von denen, aber es gibt noch viele weitere, kleinere Labels. Der Trend heutzutage ist jedoch, Alben außerhalb von Chile editieren zu lassen, um bekannter zu werden. Die Vereinbarungen mit Labels von außerhalb mögen nicht die beste für die Bands sein, aber wenn man die Möglichkeit dazu hat, sollte man es machen… das Album wird so oder so veröffentlicht. Ich denke, mit besseren Strategien und der Unterstützung der nationalen Musik könnten wir bessere lokale Labels haben.

Malte H.: Was sind, deiner Meinung nach, die typischen Trademarks chilenischer Metal-Bands?

Andy: Ich denke, dass nicht alle chilenischen Bands gleich sind und ein übereinstimmendes Trademark haben.

Malte H.: Welche sind die einflussreichsten chilenischen Metal-Bands?

Andy: Ich denke, wenn es um Thrash / Death Metal geht, könnten das PENTAGRAM, NECROSIS und DORSO sein. Im reinen Death könnten es AGGRESSOR und TORTURER sein, während die wichtigsten Doom Metal Bands POEMA ARCANVS und MAR DE GRISES sind.

Necrosis

Malte H.: Ich habe gehört, dass die chilenischen Metal-Fans die Verrücktesten in ganz Südamerika sein sollen. Kannst du erklären, wieso das so ist?

Andy: Ich bin mir nicht sicher, aber jeden Tag kommen neue Fans hinzu, die Bands wie METALLICA, MEGADETH, IRON MAIDEN etc. für sich entdecken. Die ältere Generation nimmt die jüngere Generation zu solchen Großveranstaltungen mit, wo sie dann die Möglichkeit haben, exzellente Bands zu genießen. Diese Möglichkeit gab es in der Vergangenheit nicht, da Metal eine Form der Musik war, die von der Diktatur in Chile blockiert und beschlagnahmt wurde.

Malte H.: Werden Metalheads in der chilenischen Gesellschaft akzeptiert?

Andy: Mittlerweile ja. Es gibt Minister, Politiker, Bürgermeister, Techniker, Richter, etc.. Lange Haare werden nicht mehr missbilligt.

Malte H.: Wie ist deine Meinung zur südamerikanischen Metalszene im Allgemeinen?

Andy: Ich denke, dass die südamerikanische Metalszene immer mehr Underground wurde, da Bands von außerhalb sehr häufig unser Land besuchen und es dadurch weniger Publikum gibt, um die lokalen Shows zu unterstützen. Tickets für Shows sind extrem teuer und die Fans haben nicht genug Geld, um auch noch die lokale Szene zu supporten. Viele Fans bevorzugen es, bekannte Metal-Bands statt den kleinen, lokalen Bands zu sehen, weshalb diese in die kleinen Clubs gedrängt werden. Aufgrund der Distanz zu Europa und den USA sind Promoter nicht daran interessiert, Bands nach dort zu holen, da es alles eine Frage der Kosten ist.

Malte H.: Wie ist das Leben in Chile heutzutage? Im Human Development Index (HDI) der UN hat Chile einen guten Rank, den besten in Südamerika. Wie hat sich die Szene in den letzten Jahren verändert?

Andy: Chile ist ein Land, das Einwanderern sehr wenige Steine in den Weg wirft, was dazu führt, dass viele Menschen von außerhalb hier leben, arbeiten, etc.. Kürzlich hatte ich die Möglichkeit, Los Angeles (CA) zu besuchen und ich habe rausgefunden, dass unsere Lebenshaltungskosten geringer sind, mit Ausnahme der Wohn- und Gesundheitssituation. Hier stiegen die Häuserpreise um 70% nach dem letzten Erdbeben. Und die Gesundheitslage ist wirklich beschissen, es gibt baufällige Krankenhäuser und sehr schlechten Service. Private Krankenversicherungen sind sehr gut, aber auch sehr teuer. Die Aufteilung variiert stark zwischen Unterschicht, Mittelschicht und den reichen Leute, das wird immer ungleich verteilt sein und niemand wird auch nur irgendetwas dagegen machen. Die Armen erhalten ein paar Zuschüsse, die Mittelschicht wird gar nicht unterstützt. Man muss einfach nach draussen gehen und um sein Überleben kämpfen. Es gibt quasi jeden Tag Aufstände von Studenten, öffentlichen Angestellten, Gesundheitsangestellten, etc..

Malte H.: Fühl dich frei, den folgenden Platz dafür zu nutzen, alles über Chile, Metal und sonstiges Zeug zu schreiben, was durch meine Fragen noch nicht beantwortet wurde. ;) Außerdem danke ich dir für die Zeit und die Informationen, die du mit mir geteilt hast, um einen Artikel über die Metalszene deines Landes schreiben zu können! Cheers!

Andy: Ich danke dir für dein Interesse in unsere Szene und hoffe, dass die Aufmerksamkeit von außerhalb Chiles dadurch dazu führt, dass unsere Bands die Möglichkeiten erhalten, auf Festivals oder anderen Events in Europa oder benachbarten Ländern wie Brasilien, Kolumbien, Argentinien etc. zu spielen. Es gibt eine Vielzahl an Bands in Chile, die promotet und gehört werden müssen, da es hier auch guten Metal gibt. Viele unserer guten Musiker mussten das Land verlassen und in anderen Ländern leben, um ihre Musik weiterzuentwickeln. Chile und seine Regierung sollten die lokalen Bands mehr unterstützen.
Vielen Dank für die Unterstützung der Metalszene unseres Landes.

 

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