Hannes Grossmann

von Rüdiger Vinschen

Hannes Grossmann

Zu meiner großen Freude hat Hannes Grossmann (bekannt u.a. durch seine Arbeit bei NECROPHAGIST und OBSCURA) ein paar Gedanken zum neuen Album, seinen Erfahrungen mit Crowdfunding und seinem Ausstieg bei OBSCURA mit mir geteilt. Kein Wunder, dass nach seinem Technical Death-Brecheralbum "The Radial Covenant" so einige Fragen unter den Nägeln brannten, denen sich Hannes geduldig stellt:

 

Rüdiger: So Hannes, sehr cool, dass Du mir ein Interview geben willst. Erst mal (reichlich spät, ich weiß) herzlichen Glückwunsch zu Deinem ersten Soloalbum „The Radial Covenant“. Ich war total geplättet davon. Ist es überall gut eingeschlagen?

Hannes: Danke! Also ich kann mich nicht beschweren, haha. Das Feedback war wirklich sehr gut, alles in allem ein großer Erfolg, gemessen daran dass ich - außer auf Facebook - eigentlich kaum Werbung dafür mache.

Rüdiger: Man merkt natürlich schon, dass das ganze Werk von einem Drummer geschrieben wurde. Die Drums sind doch ein wenig markanter, ohne sich aber zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Ist es eigentlich schwierig, da die richtige Balance zwischen den Instrumenten zu finden?

Hannes: Inwiefern nun die Platte ein Drummer-Album ist, müssen andere beurteilen. Meine Sicht auf die Musik geht allerdings nie vom Schlagzeug aus, ich habe immer das Gesamtbild im Auge. Von daher war es kein großes Problem, die Instrumente in Balance zueinander zu bringen, weil die Songs ja schon so arrangiert sind, dass alles zusammenpasst. Bei mir zählt immer nur der Song an sich, niemals ein Instrument allein. Wenn krasse Drumfills oder dergleichen zu hören sind, dann haben diese stets eine musikalische Funktion, die dem gesamten Song und dessen Dynamik dienen soll.

Hannes GrossmannRüdiger: Dein Album beschäftigt sich mit vielen mystischen Elementen in unserem Kosmos. Was fasziniert Dich daran?

Hannes: Naja, mit Religion kann ich halt z.B. nichts anfangen. Ich habe nie verstanden, warum manche Menschen einen imaginären Schöpfer erfinden müssen, wenn doch das Universum und unsere Welt an sich schon so faszinierend sind. Allein schon, in ein Planetarium zu gehen und die Sterne zu betrachten....ich kann nicht verstehen, wie einen das nicht faszinieren kann. Mich fasziniert es jedenfalls, haha.

Rüdiger: Und was genau sehen wir eigentlich für eine Kreatur auf dem Cover?

Hannes: Da musst Du Milan fragen, der hat das Artwork entworfen. Ich hatte ihm die Texte gegeben und das Konzept erklärt. Er ist dann mit diesem „Ding“ angekommen, haha. Meiner Interpretation nach handelt es sich um ein Wesen, das so eine Art Mischung aus Urzeit-Fisch und Alien darstellt. In meinem Textkonzept geht es ja um den „Aeon Cult“, eine fiktive Mythenreligion, in dem Multiversen eine große Rolle spielen. Daher kommt die Kreatur wahrscheinlich aus einem Paralleluniversum. Aber generell ist das Interpretationssache.

Rüdiger: Das Artwork ist, wie Du schon sagtest, von Milan und Dario Hofstetter. Dario ist selbst Drummer, Milan Gitarrist, beide bei der Schweizer Formation APOKATASTASIA. Bist Du zuerst auf ihre Grafikarbeit aufmerksam geworden, oder hast Du sie als Musiker kennen gelernt?

Hannes: Ja, ich habe für Milan ein Album eingespielt...das hoffentlich bald erscheint, weil es ist echt cooles Zeug, haha. Milan ist ein super Gitarrist, es hat große Freude gemacht, mit ihm zu arbeiten. Und dadurch bin ich auch auf die Grafiken von ihm und seinem Bruder aufmerksam geworden. Ich finde das Artwork wirklich brilliant. Ich habe sehr wenige und nur vage Vorgaben gemacht, aber die beiden haben wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen.

Rüdiger: Vermutlich hätte Milan auch gleich als Gastmusiker bei Dir spielen können…?

Hannes: Ja stimmt, wenn ich drüber nachdenke, hätte das total Sinn gemacht. Vielleicht das nächste Mal...

Rüdiger: Es haben noch eine ganze Menge anderer Leute an Deinem Album mitgearbeitet, wenig überraschend ist die Mitarbeit von Christian Münzner und Linus Klausenitzer. Du hast auch an zwei von Christians Soloalben mitgewirkt. Ihr zwei versteht Euch ziemlich gut?

Hannes: Ja, vor allem Chris und ich spielen ja schon seit 2003 zusammen, als wir beide bei NECROPHAGIST waren. Danach sind wir gemeinsam zu OBSCURA und nun bei ALKALOID, unserer neuen Band, in der auch Linus aktiv ist. Wir verstehen uns musikalisch und menschlich sehr gut, und es wäre eigentlich Irrsinn, diese tolle Konstellation auseinanderzureißen...was nun aber bei OBSCURA tatsächlich passiert ist. Shit happens.

Rüdiger: Gibt es einen gemeinsamen Grund für Euren Ausstieg bei OBSCURA?

Hannes: Da möchte ich nicht für Chris sprechen. Ich jedenfalls hatte zuletzt große Probleme mit Steffen, mit dem es musikalisch einfach nicht gepasst hat. Steffen besitzt als Bandgründer die Namensrechte von OBSCURA. Er wollte die Band schon 2012 auf Eis legen, seitdem ging es sehr schleppend vorwärts. Aber letztlich haben Chris und ich seit unserem Einstieg mindestens 80% der Musik geschrieben, es ist eigentlich irgendwie unlogisch, dass wir nun ausgestiegen sind. Aber anders war es nicht machbar. Ein Besipiel: dass mein Soloalbum stark nach OBSCURA klingt, ist kein Zufall. Viele der Riffs auf den beiden letzten OBSCURA-Alben stammen ja auch von mir. Ich habe auch die meisten Songs arrangiert und war immer beim Mix dabei. Das hat Steffen gestört, was irgendwie verständlich ist, weil er ja die Band gegründet hat. Man muss aber einfach sagen, dass von ihm sehr wenig Material kam, was schade ist, denn wenn mal was kam, war es eigentlich meistens auch gut. Er hätte ja einfach mal Songs vorlegen können, aber da kam nix mehr. Auf „Omnivium“ sind vielleicht noch 15% der Riffs von ihm, auch bei Songstruktur oder ähnlichem kam kein Input von ihm. Das ist einfach zu wenig, zumal wenn man gerne Hauptsongwriter wäre. Nicht, dass ich hier den Eindruck erwecke, alles an mich reißen zu wollen. Bei NECROPHAGIST habe ich nichts an der Musik mitgeschrieben. Auch bei BLOTTED SCIENCE habe ich lediglich meine eigene Drum-Line entworfen. Mich stört das nicht, ich freue mich, wenn mir andere die Arbeit abnehmen. Steffen wollte, dass das Songmaterial auf dem nächsten Album gleich aufgeteilt ist, was ich eigentlich sehr gut fand. Aber am Schluss standen wieder sechs Songs von mir, zwei von Chris und nur ein halber von Steffen. Gleichzeitig hat er sich aber über diesen Ist-Zustand beschwert. Da wusste ich: wenn es zum Grund-Problem wird, dass sich einer songwriterisch für die Band ins Zeug legt, dafür aber Ablehnung von jemand anderem erntet, hat das Ganze eh keinen Sinn mehr. Ich hatte einfach keine Lust mehr, von jemand anderem blockiert zu werden. Manchmal muss man dann eine schwere Entscheidung treffen, damit man sich selbst nicht kaputt macht.

Hannes GrossmannRüdiger: Auch ohne OBSCURA hast Du ja noch genug zu tun. Da gibt’s etwa noch ALKALOID, wobei Du schon angekündigt hast, dafür einiges von dem Material zu verwenden, das Du in letzter Zeit für OBSCURA geschrieben hast. Da scheinen noch genug Ideen zu stecken für weitere Soloalben, oder?

Hannes: Naja, mit ALKALOID wollen wir nun ernst machen und sind momentan dabei, das Debütalbum aufzunehmen. Es ist tolles Material da, zumal neben Chris und Linus noch Danny Tunker von ABORTED und Morean von DARK FORTRESS / NONEUCLID an Bord sind. Wir haben drei Leadgitarren, was unglaubliche Möglichkeiten bietet. Von daher habe ich momentan gar keine Ambitionen, ein neues Soloalbum zu veröffentlichen.

Rüdiger: Für „The Radial Covenant“ hast Du ein Crowdfunding-Projekt auf Indiegogo eingestellt. Bist Du mit dem Ergebnis soweit zufrieden?

Hannes: Na klar. Ich habe 6700 € gesammelt, ohne großartig Werbung zu machen. Das war schon cool!

Rüdiger: Welche Kosten konntest Du denn mit dem Erlös decken, wenn ich das so fragen darf?

Hannes: Fast die gesamten Produktionskosten. Ich musste ganz wenig obendrauf legen, was ich aber mittlerweile mit den Verkaufserlösen locker wieder drin habe. Und ein bisschen was hängen bleiben darf ja auch, zumal ich sehr viel Zeit und Energie da reingesteckt habe.

Rüdiger: Was hat Dich bewogen, Indiegogo als Plattform auszuwählen? Gab es Gründe, die gegen Startnext oder Kickstarter sprachen?

Hannes: Nee, das was eher so 'ne Bauchentscheidung. Ich hab' da nicht lange gesucht oder verglichen. Vielleicht würde sich das sogar lohnen. Aber da fehlt mir einfach die Erfahrung.

Rüdiger: Die Bekanntheit des Projekts ist ja das A und O für sein Gelingen. Hast Du in die Verbreitung viel Zeit und Mühe investiert, gibt es irgendwann einen Selbstläufer-Effekt?

Hannes: Ich habe in die Verbreitung kaum Zeit investiert, vor allem nach den Posts auf der OBSCURA Facebookseite war das Ganze irgendwann eine Art Selbstläufer. Die Musik klingt ja doch ähnlich, und so hat sich das schnell herumgesprochen.

Hannes Grossmann - The Radial CovenantRüdiger: Würdest Du Crowdfunding wieder machen oder es anderen Künstlern empfehlen?

Hannes: Ich würde es wieder machen und kann es mit einer Einschränkung auch jedem empfehlen. Die Einschränkung lautet: wenn Du noch keinen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hast, sind die Erfolgsaussichten gering. Dass Crowdfunding nun demnächst traditionelle Labelarbeit ablöst, sehe ich nicht.

Rüdiger: Was steht bei Dir als nächstes an? Was hast Du in der näheren Zukunft vor?

Hannes: Ich investiere alle meine Zeit in die anstehende ALKALOID-Produktion. Zudem habe ich einige Anfragen als Session-Drummer. Bei der Gelegenheit sei erwähnt, dass ich Songs und Alben für andere einspiele. Falls also jemand Interesse hat, einfach mal auf meiner Homepage vorbeischauen und 'ne Nachricht schreiben. Zudem habe ich seit kurzem mein eigenes Tonstudio, welches ich weiter ausbauen möchte.

Rüdiger: Abschließend noch mal vielen Dank für Deine Zeit. Selbstverständlich sollst Du das letzte Wort haben. Eine Message für die Metalheads da draußen?

Hannes: Danke auch! An alle Metalheads: Hört auf, nostalgisch der Metal-Vergangenheit nachzutrauern. Die alten Zeiten sind vorbei und kommen auch nicht wieder. Metal Musik steht meiner Ansicht nach für Individualismus, Kontroverse und „gegen-den-Strom-Schwimmen“. Sorgt daher dafür, dass Metal kein Mainstream-Einheitsbrei wird, in dem Wacken als großes Bierfest auf RTL vermarktet wird. Seid lieber weiter auf der Suche nach neuen, tollen Bands und entwickelt Euren Musikgeschmack stets weiter.

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