Folkheim

von Malte H.

Folkheim

Interviewreihe "Chilenischer Metal" - Teil 4

Im Zuge eines Specials zur Metalszene in Chile, dem langgezogenen Land an der Westküste Südamerikas, haben sich diverse Metaller bereiterklärt, einen Fragebogen zum Leben in Chile, der hiesigen Metalszene und den Einflüssen und Umständen im Land zu beantworten.
In den nächsten Wochen werden wir nach und nach die Fragebögen für euch veröffentlichen, damit ihr euch selbst einen Überblick über die unterschiedlichen Sichtweisen der Bands verschaffen könnt. Des Weiteren wird es einen zusammenfassenden Artikel über die Szene geben, den ihr euch dann zu Gemüte führen könnt.

Zum ersten Teil: Sacramento
Zum zweiten Teil: TimecodE
Zum dritten Teil: Dorso

Im vierten Teil haben wir für euch Nelson Vilaboa von der Folk / Black Metal Band FOLKHEIM zum Gespräch gebeten. Der Mann am Viersaiter wird euch ein bisschen über die Szene aus Sicht eines Folkers berichten.

 

Malte H.: Bitte stelle dich zu Beginn kurz vor:

Nelso: Hallo, mein Name ist Nelson und ich bin Bassist der Band FOLKHEIM.

Malte H.: Wie kamst du zum Metal?

Nelso: Nun, mein Traum war es schon immer, Musiker zu sein, aber ich fand in anderen Musikarten wie Jazz oder Pop zur damaligen Zeit nie die nötigen Emotionen, die ich brauchte. Eines Tages kam mir dann ein Album in die Hände, das meine Wahrnehmung für Musik veränderte, wo ich sagte: „Whoa! Das ist fantastisch!“. Endlich fand ich, wonach ich suchte: Großartige Musiker, Geschwindigkeit, Kraft, sogar mit Melodien. Diese Songs veränderten mein Leben und öffneten mir eine neue, beeindruckende Tür zum Metal. „Keeper of the Seven Keys“ Part 1 und 2 von HELLOWEEN, zu diesem Zeitpunkt begann meine Reise und ich lernte viele weitere Bands kennen.

Malte H.: Was ist deiner Meinung nach die Faszination des Metal? Und was ist deine Inspiration, genau solche Musik zu spielen?

Nelso: Ich denke, die Faszination für Metal liegt in den Emotionen und der Energie, die man in keinem anderen Musikstil mit so einer Präsenz und solchen lebensvisuellen Lyrics finden kann. Meine Inspiration ist es, ein besserer Musiker zu werden, da all diese Typen die besten Musiker mit ihrem Instrument sind und sie inspirieren dadurch viele Menschen, insbesondere mich und FOLKHEIM.

Malte H.: Chile ist ein sehr katholisches Land. Inwiefern beeinflusst das deine Wahl, Metal zu spielen?

Nelso: Ja, Chile ist ein sehr katholisches Land, aber auf irgendeine Weise auch doch nicht so, da die Menschen sehr enttäuscht von der katholischen Kirche sind. Natürlich haben sie dafür ihre Gründe, aber wie du weißt, sind Religion und Metal nicht die besten Freunde. Für mich persönlich ist das keine große Sache, da meine Eltern mich und meine Brüder nie dazu gezwungen haben, irgendeine Religion zu wählen.

Malte H.: Ich würde gerne wissen, wie Metal nach Chile kam. Gab es eine bestimmte Location oder eine bestimmte Band? Oder war es vielmehr so, dass irgendwer in Santiago angefangen hat, es zu spielen und von da verbreitete es sich wie eine Krankheit?Nelson Vilaboa

Nelso: Chile wurde schon immer von anderen Ländern beeinflusst, wollte deren Beispielen folgen und noch besser werden. Musik war da ein noch stärkerer Grund, aber unglücklicherweise waren wir vor vielen Jahren die Letzten, die irgendwelche Neuigkeiten erfahren haben, insbesondere was Metal anging. Trotzdem kamen wir an Vinyls und Tapes der größten Bands ran. Ich rede hier von den 60ern und 70ern.
Unsere ersten Metal Bands wurden in den 80ern ins Leben gerufen. Bands wie PENTAGRAM, MASSAKRE, NECROSIS, DORSO, RUST, ATMOMIC AGGRESSOR (die meisten davon mit englischen Namen) und von da verbreitete Metal sich wie ein Allheilmittel. Vor einigen Monaten spielten wir eine Show mit ATOMIC AGGRESSOR und DEATH YELL, die beide sehr professionelle Bands mit einer unglaublichen Kraft auf der Bühne sind.
Wenn ich mich recht erinnere ist Chile eines der Länder mit den meisten Metal-Bands bei nur 17 Millionen Einwohnern.

Malte H.: Viele der Metal-Bands aus Chile scheinen sehr dunkel und extrem zu sein. In welcher Hinsicht haben die geographischen, historischen (z.B. die Diktatur von Pinochet in den 70ern und 80ern) und kulturellen Umstände in Chile Einfluss auf den chilenischen Metal-Stil genommen?

Nelso: Eigentlich unterscheidet sich der Metal in Chile nicht so sehr vom Rest der Welt, da die Intention dem selben Ursprung, dem selben Sound folgt, denn wie ich bereits sagte wurden wir sehr von anderen Ländern in Europa und Nordamerika beeinflusst. Die inländischen Probleme wie die Diktatur sind sehr empfindliche Sachen, die nie wirklich Einzug in den Metal erhalten haben, da der Spirit es war, näher beisammen anstatt separiert zu sein. Der Folk Metal bezieht sich jedoch, offensichtlich, mehr auf die nationale Ebene und die Lyrics (in FOLKHEIM) handeln von unseren Urvätern in ihrem Kampf gegen die spanischen Eroberer, aber meiner Meinung nach haben wir kein besonderes Markenzeichen im chilenischen Metal.

Malte H.: Wie ist die Infrastruktur der chilenischen Metalszene? Ist sie gut organisiert? Wie groß ist die Szene und wie sieht es mit Möglichkeiten aus, live auf Konzerten oder Festivals zu spielen?

Nelso: Wir sind sehr gut organisiert. So spielen die älteren Bands bspw. nur mit neueren Bands, wenn diese auch wirklich gut sind. Mittlerweile gibt es hier einige Festivals, die sich nur um Metal kümmern und wo viele Bands spielen, aber es müssen internationale Bands kommen, damit mehr Leute die Shows besuchen. Auf der anderen Seite eröffnen unsere lokalen Bands Shows für Bands von außerhalb. Wir haben ein sehr loyales, aber auch forderndes Publikum und die Produzenten bringen viele Bands nach Chile, die noch nie hier gespielt haben, was einen Wettbewerb schafft und mehr Chancen bietet, selber zu spielen. Trotzdem ist es nach wie vor schwer auf großen Gigs mit internationalen Metal-Bands zu spielen.

Malte H.: Gibt es außer Australis Records noch andere große Labels in Chile? Und wie schwer ist es für eine chilenische Metalband, auf einem ausländischen Label unter Vertrag genommen zu werden?

Nelso: Es ist in dieser hoch globalisierten Welt nicht so schwer auf ein ausländisches Label zu kommen, schätze ich. Ich kenne einige chilenische Bands, die auf einem externen Label sind.
Das Einzige, was du brauchst, ist gutes Material, ein Produkt, am besten originell und einzigartig. Mit FOLKHEIM wollen wir auf ein ausländisches Label, wahrscheinlich schon mit unserem nächsten Album.
Andere chilenische Label sind PROSELYTISM, RAWFORCE und KURAVILU.

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Malte H.: Was sind, deiner Meinung nach, die typischen Trademarks chilenischer Metal-Bands?

Nelso: Ich denke, es gibt ein universelles Markenzeichen im Metal, ich kann keinen Unterschied zwischen einer chilenischen oder einer argentinischen oder einer Band, wo auch immer sie herkommen mag, feststellen. Aber in manchen Stilen ist es klar, wie im Folk Metal, wo man die verschiedenen Rhythmen und Strukturen heraushören kann.

Malte H.: Welche sind die einflussreichsten chilenischen Metal-Bands?

Nelso: Das ist eine schwere Frage, lass mich nachdenken…!
PENTAGRAM, CRIMINAL, ATOMIC AGGRESSOR, DORSO, SIX MAGICS, DELTA, THORNAFIRE, POEMA ARCANVS, INQUISICION. Ich habe versucht, ein paar Bands aus unterschiedlichen Stilrichtungen zu nennen.

Malte H.: Ich habe gehört, dass die chilenischen Metal-Fans die Verrücktesten in ganz Südamerika sein sollen. Kannst du erklären, wieso das so ist?

Nelso: Ja, das ist eine sehr besondere Eigenschaft unserer Fans, ich denke, dass liegt daran, dass wir sehr emotionale Menschen sind. Wir lieben es, unsere Gefühle auszudrücken und auf gewisse Weise zu kompensieren sowie der Band unsere Dankbarkeit für deren Musik zu zeigen.

Malte H.: Werden Metalheads in der chilenischen Gesellschaft akzeptiert?

Nelso: Vollkommen akzeptiert! Es ist sogar so, dass ein Metalhead mehr Vertrauen gewinnt als ein Punk oder Hip-Hop Künstler. In Chile lassen dich die Leute einfach sein wie du bist, da viele von ihnen wissen, dass Metal-Typen meistens sehr professionell sind, mindestens einen Job haben, sehr schlau und mit einem großen Sinn fürs Leben ausgestattet sind. Das wissen die Leute.

Malte H.: Wie ist deine Meinung zur südamerikanischen Metalszene im Allgemeinen?

Nelso: Nun, ich denke, dass die Szene sehr abgegrenzt ist. Zum Beispiel hat der Heavy Metal ein ganz anderes Publikum als der Death Metal oder Power Metal und das zeigt sich insbesondere in den Unterschieden der einzelnen Länder. Ich meine, in Argentinien hören sie mehr Heavy und Power Metal als in Chile. Viele der härtesten Bands aus Europa kommen im Gegenzug direkt nach Chile und besuchen die benachbarten Länder erst gar nicht. Aber wenn es einen gemeinsamen Nenner gibt, dann ist es die Loyalität zu den Bands.

Malte H.: Wie ist das Leben in Chile heutzutage? Im Human Development Index (HDI) der UN hat Chile einen guten Rank, den besten in Südamerika. Wie hat sich die Szene in den letzten Jahren verändert?

Nelso: Heutzutage ist das Leben in Chile sehr weltoffen. Menschen aus allen benachbarten Ländern sind nach Chile gekommen, um hier zu leben. Doch nicht nur aus südamerikanischen Ländern, auch aus Nordamerika oder Europa kommen Leute hierher.
Auf die Szene bezogen denke ich, dass sie sich erweitert hat, da sich die Bedingungen verbessert und auch mittlerweile Instrumente gekauft werden können, die noch vor Jahren, insbesondere während der Diktatur, unerreichbar erschienen. Wir können unsere Alben nun auf sehr einfache Weise und in sehr guter Qualität aufnehmen.

Malte H.: Fühl dich frei, den folgenden Platz dafür zu nutzen, alles über Chile, Metal und sonstiges Zeug zu schreiben, was durch meine Fragen noch nicht beantwortet wurde. ;) Außerdem danke ich dir für die Zeit und die Informationen, die du mit mir geteilt hast, um meinen Artikel über die Metalszene deines Landes schreiben zu können! Cheers!

Nelso: Nun, zu allererst möchte ich allen Menschen danken, die uns unterstützen und sich für unsere Band aus dem fernen Land Chile interessieren und wir hoffen, dass wir so bald wie möglich in allen Ländern, die uns einladen, spielen können.
Vielen Dank und Cheers!

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