Fluten

von Franziska B.

Fluten (Bild von Sebastian Schwab)

Interview : Franziska B.

Franziska: Ihr Lieben, klasse, dass Ihr die Zeit gefunden habt, uns ein paar Fragen zu beantworten. Stellt Euch als erstes doch bitte kurz vor.

Christian: Wir sind fünf Freunde, die sich ein- oder zweimal die Woche im Proberaum im Keller der Roten Flora treffen und zusammen Musik und anderen Quatsch machen, und ab und an auch zusammen auf Konzerte gehen. Am meisten Spaß haben wir, wenn wir uns einen Tour-Bus leihen und zusammen auf Klassenfahrt gehen. Das alles hat dabei auch eine politische Ebene: Wir diskutieren recht häufig über politische Themen und versuchen, das auch in unsere Band-Praxis einfließen zu lassen.

Franziska: Wie habt Ihr Euch kennengelernt, und wie lange macht Ihr schon zusammen Musik?

Christian: Aus meiner Perspektive war das so: Bei einem Konzert stand plötzlich ein Typ neben mir und sagte: „Na, Du bist ja auch immer bei den guten Konzerten. Du warst doch letzte Woche auch schon bei ENGINE DOWN und vorletzte Woche bei LOW FREQUENCY IN STEREO, oder?“ Wir haben dann festgestellt, dass wir tatsächlich fast genau die gleichen Bands mögen und haben uns danach immer wieder bei Konzerten getroffen. Etwa ein Jahr später hat sich meine frühere Band SPLIT aufgelöst, und nur eine Woche danach traf ich Jens im Störtebeker bei einem Punk-Konzert, und er sagt zu mir: „Weißt Du was, ich gründe jetzt eine Band! Wir suchen noch jemanden, der Gitarre spielen und singen kann. Haste nen Tipp für uns?“ Und ich meinte: „Ja, ich!“

Frieder: Ja, Jens war auf jeden Fall die Schnittstelle. Ich kannte Jens über Andreas, mit dem er heute das Label Miyagi Records macht, das ja auch unser Album mit herausgebracht hat. Andreas spielte damals bei LASSARD, deren Schlagzeuger Martin war. So kannten wir drei uns, und dann kam Jens mit Chrischi an. Wir haben dann zu viert noch unter einem anderen Namen angefangen. Timo haben wir dann später kennengelernt, bei unserem ersten Konzert – das war übrigens auch das erste Miyagi Festival – bei dem wir zusammen mit Timos Band HERR MOHN gespielt haben.

Franziska: Was bedeutet eigentlich Euer Bandname "Fluten" und wie seid Ihr zum selbigen gekommen?

Christian: Grundsätzlich finde ich es nicht sinnvoll, als Künstler das, was man macht, selbst zu interpretieren. Ich versuche bei meinen Texten auch immer, möglichst viele Deutungsmöglichkeiten offen zu lassen. Das ist für mich das Spannendste an Sprache, aber auch bei anderen Medien, dass Bedeutungen sich nie gänzlich festlegen lassen. Und das gilt auch für unseren Bandnamen. Aber um trotzdem mal eine Art – möglichen – Interpretationsraum aufzumachen: Fluten hat für mich persönlich etwas mit dem – auch illegalen – Übertreten von Grenzen zu tun, seien es musikalische, nationalstaatliche oder auch emotionale oder physische. Aber das ist eben nur eine von vielen Deutungsmöglichkeiten.

Frieder: Das würde ich auch so sehen. Generell finde ich es auch gerade gut, einen Namen zu haben, der irgendwie interessant, aber eben nicht ganz konkret greifbar und dabei trotzdem bedeutungsstark ist, und der vielfältige Assoziationen hervorruft und zulässt. Fluten ist für mich so ein Begriff. Es ist nicht mal klar, was das für eine Wortart ist – ob es sich um ein Nomen oder ein Verb handelt, aber es ist ein sehr kraftvolles Wort. Ich habe dazu sofort Bilder im Kopf.

Jens: Die Wahl des Bandnamens war jedenfalls ein sehr langer, nicht gerade einfacher Weg. Wir haben noch etwa 29 weitere Bandnamen in petto, die auf den weiteren Plätzen gelandet sind.

Franziska: Wo liegen Eure Inspiration bzw. musikalischen Einflüsse?

Christian: Ich denke, die sind recht breit gestreut und teilweise auch recht unterschiedlich bei uns. Eine Band, die, glaube ich, uns alle ziemlich beeinflusst hat, waren FOALS, insbesondere die erste Platte "Antidotes" von denen. Aber auch Bands aus Kopenhagen wie z. B. BARRA HEAD sind für uns alle musikalisch sehr wichtig. Und dann hat jeder von uns halt noch so seine eher persönlichen Einflüsse. Bei mir sind das u.a. die ganz alten BLUMFELD von den ersten beiden Platten Anfang/Mitte der 90er. Insbesondere die Texte, die Jochen Distelmeyer damals – die Betonung liegt hier auf „damals“ – geschrieben hat, haben mich sehr beeinflusst, was man – glaube ich – an ein paar Stellen auch merkt. Ein Stück weit spiele ich ja auch ganz bewusst damit.

Jens: Noch zwei weitere Bands, auf die wir uns, glaube ich, alle einigen können, sind MONOCHROME und KENZARI’S MIDDLE KATA.

Frieder: Und Ian MacKaye und FUGAZI.

Christian: Oh ja, FUGAZI sind für uns nicht nur musikalisch wichtig, sondern auch politisch: In dieser Hinsicht sind die fast so etwas wie Vorbilder für uns, auch wenn das gewissermaßen ein Selbstwiderspruch ist, weil es FUGAZI ja auch um eine Infragestellung von Konzepten wie dem des Vorbildes geht.

FlutenFranziska: Gibt es bei Euch einen genialen Kopf, der das Songwriting übernimmt, oder entstehen die Sachen in Gemeinschaftsarbeit, zum Beispiel beim Jammen?

Christian: Klar, ich bin das! Das ist immer der größte Streitpunkt unter uns: Wer denn jetzt der Kopf ist, und wer die restlichen Körperteile. Nee, Quatsch! Bei uns gibt’s keinen Kopf! Wir schreiben alle Songs gemeinsam im Proberaum. Klar bringen die Einzelnen immer wieder auch eigene Ideen mit. Aber was dann daraus wird, ergibt sich immer erst in einem gemeinsam Prozess, an dem alle gleichermaßen beteiligt sind. Das ist manchmal auch ein bisschen anstrengend. Weil wir immer so lange an den Songs rumschrauben, bis wirklich alle das gut finden, was auch mal recht lange dauern kann. Aber das Gute daran ist, dass am Ende alle das Gefühl haben: Das ist unser gemeinsamer Song! Da steckt ein bisschen was von jedem von uns drin.

Jens: Ich denke, dass es recht viel Zeit gebraucht hat, bis jeder seinen Part in der Band gefunden hat. Wenn man weiß, wie die Anderen ticken und was denen wichtig ist, kann man auch besser interagieren. Schließlich muss man auch verkraften können, wenn eigene Ideen wieder verworfen werden, weil die Anderen sie nicht gut finden. Ich habe aber den Eindruck, dass wir da im Laufe der Zeit auch dazugelernt haben.

Franziska: Am 14. März 2014 war die Release Party zu Eurem neuen Album "Splitter" in der Roten Flora in Hamburg. Wart Ihr sehr aufgeregt und wie waren die Reaktionen bisher? Bei unserem Magazin habt Ihr satte neun von zehn Punkten abgeräumt, das ist doch schon einmal ordentlich!

Christian: Klar war'n wir aufgeregt! Is’ ja gewissermaßen unser Baby, was wir da am 14.3. in der Roten Flora unseren Freund_innen, Bekannten und allen anderen Menschen, die da waren, präsentiert haben. Die gesamte Arbeit am Album hat ja letztendlich auch deutlich länger gedauert als ursprünglich geplant. Und wir haben da auch deutlich mehr Arbeit reingesteckt als ursprünglich geplant. Da baut sich schon ne ganz schöne Spannung auf, die sich dann zumindest zum Teil eben auch auf diesen Abend fokussiert hat. Mit den Reaktionen geht das eigentlich gerade erst so richtig los, weil das Album ja auch erst Ende März erscheint. Aber die sind bisher – so wie Deine Rezension – durchweg sehr positiv – positiver als wir erwartet hätten.

Frieder: Generell, würde ich sagen, ist es schon eine sehr spannende Zeit, denn der ganze Prozess der Produktion der Platte hat ja auch viel Zeit in Anspruch genommen, wo wir sehr intensiv quasi im stillen Kämmerlein und fast ohne Feedback an dem Album gearbeitet haben. Jetzt mit dem fertigen Ergebnis nach draußen zu treten und zu gucken, was damit passiert, ist schon sehr aufregend. Und dass das Album bisher fast überall, wo wir es hingegeben haben, so gut angenommen wird und auf offene Ohren stößt, ist dann natürlich schön!

Franziska: Das Cover-Design von Isabell Kamp zu Eurer neuen Scheibe ist wirklich sehr gelungen, wird es in nächster Zeit vielleicht auch ein Video zu einem Eurer neuen Songs geben?

Fluten - SplitterChristian: Ja, ein Video ist gerade in Planung, aber das wird wahrscheinlich noch zwei bis drei Monate dauern, bis es veröffentlicht wird. Mehr wollen wir jetzt noch nicht verraten.

Jens: Vielleicht können wir den Produzenten schon verraten. Es ist Fabian von My Favourite Chords, der auch schon Videos für die BOXHAMSTERS u.a. gemacht hat.

Frieder: Mich freut das sehr, dass Du das Cover von Isabell hervorhebst. Wir finden die Arbeiten von ihr großartig und ihre Zeichnung, die jetzt auf dem Cover ist, hat für uns etwas sehr ikonisches und ausdrucksstarkes. Falls jemand aus der Region Stuttgart / Ulm das hier liest: Isabell hat übrigens gerade eine Ausstellung im Kunstverein Eislingen, die noch bis zum 13. April geht. Unbedingt hingehen!

Franziska: Euer Album wird nicht nur als CD erscheinen, sondern auch als (auf 200 Stück limitierte) LP, wie kamt Ihr auf die Idee?

Frieder: Gute Frage. Dass das Album auf LP erscheinen sollte, stand für uns eigentlich von Anfang an fest. Jedenfalls haben wir das nicht groß diskutiert oder lange drüber nachgedacht. Eigentlich war es sogar eher umgedreht, dass wir darüber geredet haben, ob wir das Album überhaupt auf CD veröffentlichen wollen. Das hängt mit Sicherheit auch damit zusammen, dass wir alle einen Plattenspieler zuhause haben und zumindest ich und Timo Musik auch fast ausschließlich auf Vinyl kaufen. Ich glaube zudem, dass wahrscheinlich auch die meisten, die uns hören wollen, sich eher über eine LP als eine CD freuen. Wieso das aber so ist, finde ich schon interessant. Ich persönlich glaube – und ich denke, da spreche ich auch für den Rest der Band - dass das Tonträger-Format LP einfach eine andere Ästhetik besitzt und da andere Bedeutungen mitschwingen, die besser zu einer nicht kommerziell orientierten Kultur passen: Erstmal das Artwork, das bei Vinyl schon allein durch die Größe eine gewisse Wertigkeit erhält, und dann natürlich auch das Haptische, das sich bei der schweren Schallplatte und dem Akt des Auflegens ganz anders anfühlt als bei einer CD aus Plastik. Außerdem ist da der technische Aspekt: In meinen Augen wirkt das Mechanische und Analoge des Vinyl-Tonträgers wärmer – und das meine ich jetzt nicht unbedingt nur auf das Soundtechnische bezogen – während die CD als digitaler Tonträger eher mit dem Computer und mit rationalen, harten und technischen Assoziationen verbunden ist, die auf mich eher kälter wirken. Für mich gehört da auch sowas wie das Skippen in diese Aufzählung: Vinyl fordert einen eher dazu heraus, die ganze Platte durchzuhören, während eine CD das bequeme Überspringen von unbequemen oder fordernden Parts eines Albums viel einfacher ermöglicht. Ich glaube, dass sich tatsächlich sagen ließe, dass der CD insgesamt mehr Kulturindustrie, Massenproduktion und Wegwerfpraxis anhaftet als der LP, unabhängig von der Tatsache, ob das tatsächlich so ist, denn natürlich ist das auch etwas romantisch verklärend. Ich glaube aber trotzdem, dass die kulturelle Wirkung, jedenfalls aus einer eher subkulturell orientierten Perspektive, so ist.

Franziska: Wie sieht es 2014 mit einer Tour aus? Ist da schon was in trockenen Tüchern?

Christian: Ja, wir werden in vier Wochen - vom 25.4. bis 3.5. - auf Tour sein. Acht Konzerte stehen bisher fest: Wir spielen in Rheine, Oerlinghausen, Köln, Freiburg, Würzburg, Dresden, Potsdam und Berlin. Für den 28.4. suchen wir noch was im Rhein-Main-Gebiet oder weiter südlich. Voraussichtlich werden wir dann im Oktober nochmal für acht oder neun Tage auf Tour gehen.

Franziska: Wo seht Ihr Euch in ein paar Jahren?

Frieder: Da haben wir, glaube ich, noch nie so drüber nachgedacht. Zumindest forcieren wir jetzt keine „Bandkarriere“ oder so etwas. Wir freuen uns natürlich, wenn es Leute gibt, die sich für das, was wir machen, interessieren. Mit netten Leuten eine gute Zeit haben, das ist jedenfalls einer der Gründe, wieso wir Musik machen und daran dürfte sich auch in ein paar Jahren nichts geändert haben.

Christian: Bei dieser Frage muss ich an einen Aphorismus von Adorno denken, der mit „Sur l’eau“ betitelt ist. Für mich geht es darin um die Frage, warum wir so selbstverständlich davon ausgehen, dass es in allen möglichen Bereichen des Lebens eine unablässige Steigerung geben muss. Das hat offensichtlich sehr viel mit der Logik des Kapitalismus zu tun. Ich denke, wir sehen uns in ein paar Jahren in den gleichen Räumen und Kontexten wie jetzt, nur dass unser Netzwerk dann hoffentlich größer geworden ist und es einfacher ist als jetzt, Konzerte zu organisieren, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die uns fruchtbare Anstöße geben und all das. Und wir würden in naher Zukunft gerne mal eine Tour im Ausland spielen.

Franziska: Danke für Eure Zeit. Ich wünsch Euch ganz viel Erfolg mit "Splitter" und der bald anstehenden Tour, lasst es krachen! Die letzten Zeilen gehören Euch:

Frieder: Wir hoffen, wir sehen uns auf der Tour!

Christian: Hinterlasst Spuren auf unseren Körperoberflächen und auf den Wänden der Gebäude zwischen uns!

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