Feuerschwanz

von Rüdiger Vinschen

Feuerschwanz

Da habe ich tatsächlich auf dem verregnet-schlammigen, kalten Wacken Open Air ein trockenes Plätzchen im Backstage, einige Kannen Bier und etwas von der kostbaren Zeit des FEUERSCHWANZschen Adels ergattert und mich mit Hauptmann FEUERSCHWANZ und Prinz Hodenherz über Wetter, Frauen und Ernsthaftigkeit unterhalten.

Rüdiger: So, ich befinde mich hier auf dem Wacken Open Air und begrüße bei mir Prinz Hodenherz und Hauptmann Feuerschwanz. Herzlich Willkommen!

Beide: Servus.

Rüdiger: Wie ist das Festival bis jetzt für Euch gewesen? Habt Ihr schon mal so ein verschlammtes Open Air erlebt?

Hauptmann: Das ist wirklich das erste Mal in meinem langen Leben, also 1218 war’s ähnlich schlimm, als wir eigentlich auf dem Weg nach Jericho waren und dann diesen komischen Alpenpass genommen haben. Das war ja auch so ´ne Art Festival, da waren alle nackt.

Prinz Hodenherz: Nur mit weniger Spaß und weniger Musik.

Hauptmann: Es gab nur Met, was ja gut war. Aber das war auch sehr verschlammt, aber seitdem habe ich nie wieder so ein verschlammtes Festival erlebt.

Prinz Hodenherz: Das ist so ein bisschen die Strafe für all die Jahre, in denen wir immer eine ziemliche Sonnenscheinband waren. Da müssen wir wirklich auf Holz klopfen (klopft auf den Tisch), beziehungsweise jetzt nicht mehr, das bringt ja nichts. Scheiß Holz!

Hauptmann: Wir haben uns jetzt den Regen für die letzten zehn Jahre abgeholt.

Prinz Hodenherz: Wir haben das ganz oft gehabt, dass direkt nach uns der Weltuntergang kommt auf den Festivals.

SchlammRüdiger: Also seid Ihr an dem Wetter dieses Jahr Schuld.

Hauptmann: Menschen brauchen ja immer einen Schuldigen. Deswegen sind früher auch so viele Hexen verbrannt worden. Wir würden ja auch einen von uns spenden.

Prinz Hodenherz: Einen Musiker dem Feuer spenden.

Rüdiger: Wen würdet Ihr da spenden? Den Taugenix?

Prinz Hodenherz: Ja, einigen wir uns auf den Taugenix.

Hauptmann: Ich würde dann auch den Taugenix vorschlagen.

Prinz Hodenherz: Der ist ja eh zu nix zu gebrauchen.

Rüdiger: Können wir dann heute Abend auf eine rituelle Opferung auf der Bühne hoffen?

Hauptmann: Wir sind gerade im Kontakt mit dem Veranstalter um die Black oder True Metal Stage, ob wir da eine Viertelstunde Zeit bekommen.

Prinz Hodenherz: Der U.D.O. persönlich wird dann den Opferdolch führen. (lacht)

Hauptmann: Und das Bundeswehrorchester zündet ihn dann an. (mehr Gelächter)

Rüdiger: Ihr habt ja mal gesagt, dass Euer Stamm- oder Lieblingsfestival das Summerbreeze ist. Jedenfalls hab‘ ich mal sowas gelesen. Ist da auch das Wetter besser?

Hauptmann: Bisher ja.

Prinz Hodenherz: Wobei, letztes Jahr war ich da, das ist auch untergegangen. Da war es nicht ganz so nass, aber sehr viel kälter.

Rüdiger: Gut, dafür war’s in Wacken letztes Jahr richtig heiß und staubig. Waren beim Gig gestern denn viele Leute da, die dem Wetter getrotzt haben?

Hauptmann: Ja, wir waren unglaublich überrascht. Wir hatten eher so drei Reihen von ganz Verrückten erwartet. Drei Reihen Verrückte waren auch wirklich da, aber es waren dann noch 20 oder 30 Reihen mehr.

Prinz Hodenherz: Ja, schwer zu sagen. Das ist natürlich kein Vergleich zu dem, was wir auf Wacken schon an Publikum hatten, als das Wetter gut war und wir abends um zehn gespielt haben.

Hauptmann: Da konnte man ja Leute bis zum Horizont sehen.

Prinz Hodenherz: Aber gestern war es so, dass es echt Bock gemacht hat. Wir sind auf die Bühne, da gab’s noch ganz schön Stress, wir konnten tatsächlich fast nicht spielen. Wir mussten direkt vorher fast den Gig absagen, weil wir unser Equipment nicht auf die Bühne gekriegt haben.

Hauptmann: Der Backstage-Eingang hinter der Bühne am Wackinger ist eigentlich fast der gleiche wie der für die Zuschauer, und da war Land unter.

Prinz Hodenherz: Unser Wagen stand vor diesem See, und unsere Techniker waren ratlos. Letztendlich haben wir dann mit total abgespecktem Equipment gespielt und haben auf irgendwelchen Rollwagen die Sachen durchs Wasser gefahren. Wir haben zum Beispiel unsere eigenen Gitarrenamps im Wagen gelassen, weil Du das einfach nicht durchs Wasser schleppen willst.

Hauptmann: Das war ´ne ganz tolle Aktion. Innerhalb von einer Viertelstunde haben wir die wichtigsten Sachen nach oben geschleppt, und die Bühnenleute sind auch ganz toll hier, die packen richtig mit an. Das war ´ne ganz solidarische Aktion, und beim Publikum kam dann auch diese „Wir sind eine Gemeinschaft“-Atmosphäre auf.

Prinz Hodenherz: Wir sitzen alle im gleichen Schlammboot. Die Leute haben uns ja schon beim Aufbau zugeschaut. Die standen unten und haben geschlottert, und wir standen in Müllsäcke eingepackt auf der Bühne und haben unser verschlammtes Equipment aufgebaut, und die Leute so: „Yeah, FEUERSCHWANZ!“. Dann sind wir mit ein bisschen Scheißegal-Stimmung auf die Bühne. Ich hab‘ mir gedacht, es ist gut, dass wir überhaupt spielen können. Dudelsäcke sind natürlich auch gnadenlos verstimmt bei so einem Wetter, die werden einen halben Ton tiefer bei der Nässe und der Kälte.

Rüdiger: Zieht das ins Holz?

Prinz Hodenherz: Ja, und auch die Tonproduktion an sich leidet, wenn die Temperatur in dem Rohr zu niedrig ist. Dann breiten sich die Schallwellen anders aus.

Rüdiger: Was macht man dagegen?

Prinz Hodenherz: Rubbeln, rubbeln, rubbeln.

Hauptmann: Auch nichts anderes als morgens. (lacht)

Prinz Hodenherz: Bei dem einen Song, bei dem ich meinen irischen Dudelsack spiele, singe ich meine Strophen und rubbele dabei meinen Dudelsack.

Rüdiger: Das gibt natürlich ´ne geile Bühnenshow.

Hauptmann: Ich muss Dir jetzt aber mal ein Kompliment machen, vor einer Woche war ich nämlich in Schottland, da war übrigens ganz ähnliches Wetter, und die Dudelsackspieler da haben ihren Dudelsack nicht so gut gerubbelt, glaube ich. Oder da war nur die zweite Wahl im Land, denn die waren richtig schlecht.

Rüdiger: Was zählt beim Rubbeln mehr, Können oder Talent?

Prinz Hodenherz: Geschwindigkeit.

Rüdiger: Irgendwann ist der rechte Arm dann sooo dick.

Prinz Hodenherz: Genau. Lass uns mal Armdrücken. (lacht)

Die Feuerschwanz-CrowdRüdiger: Dieses Jahr spielt Ihr zwei Gigs, letztes Mal habt Ihr, glaube ich, vier Gigs in Wacken gespielt. Wird das Publikum bei den späteren Gigs müde, bleiben die Leute weg, oder ist’s bei Euch immer voll?

Prinz Hodenherz: Als wir hier viermal gespielt haben, gab’s natürlich die Leute, die immer da sind, aber das Publikum wechselt ja auch. Jeder macht sich ja seinen eigenen Plan, wann er sich welche Band anguckt. Beim einen Gig spielt eben MOTÖRHEAD parallel, beim anderen MAMBO KURT oder sonst was, und da wechselt das Publikum schon ziemlich. Wir haben allerdings eine Erfahrung gemacht: Letztes Mal haben wir viermal das gleiche Set gespielt, weil wir genau das angenommen hatten, und dann waren aber doch mehr Leute als gedacht da, die alle Gigs gesehen haben, und die haben dann gemeint: „Ey, Ihr spielt ja immer das Gleiche.“ Darum haben wir uns dieses Jahr entschlossen, zwei verschiedene Sets zu spielen.

Hauptmann: Wir sind jetzt noch am Rätseln, was wir machen, weil ja gestern doch relativ wenige Leute da waren, und heute eventuell das Wetter besser werden könnte.

Prinz Hodenherz: Wir haben gestern das stärkere Set rausgehauen.

Hauptmann: Wir hatten ein ziemliches Retro-Programm, ein paar alte Klassiker, und ich denke, das lassen wir jetzt auch so.

Rüdiger: Spielt Ihr das Set dann doch nochmal?

Hauptmann: Ja, ein bisschen anders wird’s schon.

Rüdiger: Könnt Ihr das beim Booking eigentlich selber beeinflussen, wie viele Slots Ihr auf dem Festival spielt, oder werdet Ihr für eine bestimmte Anzahl angefragt?

Hauptmann: Oh, das ist die höhere Politik der Slots.

Prinz Hodenherz: Das ist tatsächlich hohe Politik. Wir wurden ja für letztes Jahr auch angefragt, ob wir vier Slots machen, da haben wir aber abgelehnt, weil wir mit der neuen Platte wiederkommen wollten, und nicht noch mal mit dem gleichen Kram. Irgendwann hat da keiner mehr Spaß dran. Und ein schnelleres Veröffentlichungstempo als aktuell, ich weiß nicht, wie das einige Bands hinkriegen, aber in Wahrheit leidet die Qualität darunter, und da haben wir keinen Bock drauf.

Hauptmann: Es leidet auch ein bisschen das Leben darunter. Das ist wirklich, als wenn man alle zwei Jahre ein Kind kriegt. Mach das mal über zehn Jahre! (lacht)

Rüdiger: Habt Ihr schon mal Songs produziert, die es nicht auf das Album geschafft haben, oder verfolgt Ihr die Ideen gar nicht weiter, wenn Ihr merkt, dass das nicht klappt?

Hauptmann: Also früher, als ich angefangen habe, habe ich jeden Song genommen, den ich geschrieben habe, aber auch keine Note mehr geschrieben. Jetzt ist Hodi tatsächlich unser Mastermind, und da denke ich mir auch manchmal „Mensch, mach doch mal langsamer, Junge“. Allerdings hören wir uns das alles wirklich an und nehmen die Songs, die am besten für ein Album zusammenpassen, und da bleibt einiges übrig.

Prinz Hodenherz: Witzigerweise kam gerade gestern im Bus ein uraltes Lied wieder auf, das bei dem vorletzten Album mal vom Tisch gefallen ist. Das wollen wir jetzt wieder ausgraben.

Rüdiger: Wie heißt das?

Prinz Hodenherz: Sag‘ ich nicht.

Rüdiger: Ah, ok. Scheiße. Anders gefragt, worum geht’s grob?

Prinz Hodenherz: Um eine erstunkene und erlogene Lebensgeschichte mit fragwürdigem musikalischen Inhalt, aber es macht Spaß. (lacht) Es ist halt vor Jahren schon einmal rausgefallen, und in einem anderen Kontext, einem anderen Leben passt es dann doch wieder rein. Das passiert manchmal. Dann ist da ein Wort drin, was immer irgendwie Scheiße kam, dann hat man doch noch die eine zündende Idee, stellt das Ganze ein bisschen um, und Plopp! Läuft. So ein Songwriting-Prozess ist immer sehr lebendig. Das ist auch gut, richtig und wichtig so, dass Du nicht einfach schreibst nach dem Motto „Hey, ich hab‘ einen Song geschrieben“, und fertig. Das ist in Wirklichkeit sehr viel variabler und beweglicher. Wir haben auch schon einen ganzen Song vorproduziert und aufgenommen, um dann zu merken, dass ein anderer Text viel geiler wäre. Oder der Refrain ist Scheiße, lass uns einen neuen machen. Dann wird das mit der Schere ausgeschnitten und ein neuer Refrain reingeklebt.

FeuerschwanzRüdiger: Ist das für Euch wichtig, auch immer mal wieder einen spaßigen Song zu machen, auch wenn Eure Texte vielleicht insgesamt etwas ernsthafter werden als früher?

Hauptmann: Das ist natürlich wichtig. Ich bin immer wieder überrascht, wie lustig wir eigentlich sind, und dass wir immer wieder auch privat mal lachen. Gerade bei lustigen Bands habe ich manchmal den Eindruck, dass die ihre Lustigkeit auf der Bühne verbrauchen und privat ganz anders drauf sind, wie irgendwelche Philosophieprofessoren.

Prinz Hodenherz: Ich weiß, wen Du meinst.

Rüdiger: Ich habe mal ein Interview von Euch gelesen, in dem einer von Euch gesagt hat, dass Ihr das Spaßkapellen-Image gar nicht so gern habt.

Hauptmann: Ja, Du hast das ja schon gesagt, wir haben mit „Auf’s Leben“ einen Schritt weiter gemacht und unsere Bandbreite größer dargestellt. Das kommt auch wirklich gut an. Dann wird man auch nicht mehr nur als Spaßkapelle wahrgenommen, und dann kann man mit der Spaßkapelle auch wieder besser leben. Das juckt uns jetzt gar nicht mehr so.

Prinz Hodenherz: Mir gefällt das Wort „ernsthaft“ auch gar nicht so. „Auf’s Leben“ ist nicht ernsthafter geworden, wenn überhaupt, dann ist es glaubhafter geworden.

Rüdiger: Kann man vielleicht eher „erwachsener“ sagen?

Prinz Hodenherz: Jaaaa, kann man sagen. Gefällt mir aber eigentlich auch nicht so gut. Es ist vielleicht ein bisschen nachdenklich, ein bisschen reflektierend, aber deswegen nicht weniger von dem, was wir schon immer ausgesagt haben, nämlich Spaß zu haben.

Hauptmann: So, wie ich mir einen Erwachsenen wünschen würde, dass er trotzdem ein Kind sein kann und erwachsen nicht unbedingt gleichbedeutend mit ernsthaft sein muss. Dann würde ich sagen, es ist erwachsener, weil mehr Themen drin sin: Tod und Sterben, um eine Frau werben, das habe ich früher nie gemacht. Bin immer gleich mit dem Pferd ins Tor reingeritten.

Prinz Hodenherz: Wobei das aktuelle Songwriting auch wieder ganz schön witzig ist. Wir sind gerade mitten im Schaffensprozess, wir wissen noch gar nicht, was am Ende passieren wird. Das ist gerade sehr spannend und auch ziemlich witzig, ironisch, Comedy… Was ich gerade versuche ist, diese Glaubhaftigkeit zu behalten und dabei witzige Texte zu schreiben. Mein Vorbild dazu sind zum Beispiel DIE ÄRZTE, die immer sauwitzige Sachen gemacht haben, aber immer mit musikalischer Geilheit, mit Witz und Ironie und auch einer Warmherzigkeit, dass es einfach Spaß macht, sich das anzuhören. Und dass man dabei auch über etwas nachdenken kann, ohne zu denken „Oh, ich fühl‘ mich so schlecht, ich sollte sofort an Amnesty International spenden“. Man hat einfach Spaß daran, reflektiert auch Dinge, wie zum Beispiel bei diesem einen Song, in dem sie dazu raten, man sollte kein Fleisch essen, sondern nur seine Mitmenschen. „Baby“ heißt der Song, glaube ich, auf der „Bademeister“ ist der.

Rüdiger: Hodi, Du bist ja bekennender KNORKATOR-Fan. Das deckt sich ungefähr mit deren Ansatz, oder?

Prinz Hodenherz: Ja, absolut. Das ist ein bisschen anderer Humor, etwas krasser.

Hauptmann: KNORKATOR ist ja eigentlich schon eine Diagnose, ein Symptombild. Ganz toll, wenn man sowas schafft, eine eigene Diagnose zu werden.

Prinz Hodenherz: Das wäre auch ein persönliches Ziel von mir, mit FEUERSCHWANZ solche Texte zu machen.

Hauptmann: Bei FEUERSCHWANZ hab‘ ich einfach Bilder im Kopf, das könnte auch mal eine Diagnose werden. So ein Blasen aufwerfendes…

Prinz Hodenherz: Bäääääääh.

Hauptmann: Naja, lassen wir das. (lacht)

Rüdiger: Nicht zu plastisch werden, bitte.

Hauptmann: Oh, ich glaub‘, ich hab‘ mir in Wacken einen FEUERSCHWANZ eingefangen!

Prinz Hodenherz: Da gab’s mal ein Video, wenn man „FEUERSCHWANZ“ und „Wacken“ gegoogelt hat, dann kam ein Typ raus, der sich einen Socken über den Schwanz zieht und ihn anzündet. (Gelächter) Der hüpft dann da auf so ´ner Festivalwiese rum und schwingt das Ding…

Hauptmann: Das war in unserem ersten Wackenjahr, 2009. Der hatte echt einen FEUERSCHWANZ in Wacken.

Rüdiger: Gab’s solche Aktionen auch schon auf Euren Konzerten?

Prinz Hodenherz: Penis-Aktionen?

Hauptmann: Das mit dem Socken und dem Anzünden finde ich eigentlich super, wenn das 1.000 Leute machen würden. (Gelächter)

Prinz Hodenherz: Und was machen die Frauen? Ganz schön sexistisch.

Hauptmann: Die schmeißen einfach nur die BHs weg, so wie immer. Oder die könnten mit den BHs die Socken löschen.

Prinz Hodenherz: Immer feste druff!

Hauptmann: Hey, was ist denn das da vorne, da raucht’s so? Ah, das sind nur FEUERSCHWANZ mit dieser komischen Sockennummer.

Prinz Hodenherz: Man kann auch Schlamm in die Körbchen legen und eine Keule daraus machen.

Hauptmann: Das sagen wir heute aber nicht an! Übrigens, für’s Tagebuch, es regnet wieder.

Rüdiger: Laut Vorhersage sollte es eigentlich besser werden, aber das wird immer weiter verschoben. Ist aber schön zu sehen, wenn die Leute trotzdem Spaß haben. Eure zentrale Message dreht sich ja auch darum, dass man Spaß am Leben haben soll, egal was man macht. Jeder nach seinem Gusto, richtig?

Hauptmann: Uns war auch immer sehr wichtig, dass jeder erst einmal herausfindet, wie er sein Leben leben möchte. Aber nicht auf eine „reindrückende“ Art und Weise, sondern so, dass man jemanden leichter macht, der sich vielleicht schwer tut. Mit Lachen kann man das immer am besten erreichen.

Prinz Hodenherz: Das ist dem erhobenen Zeigefinger auf jeden Fall immer vorzuziehen.

Rüdiger: Ist es in dem Zusammenhang besonders schmerzhaft, wenn man einen Rauswurf wie vom Uni-AStA Osnabrück kassiert? Nehmt Ihr Euch das sehr zu Herzen?

Hauptmann: Es hat uns sehr überrascht, dass es jetzt passiert, als wir nämlich vor zehn Jahren noch wirklich krasse Lieder geschrieben haben, hätte ich das eher erwartet.

Prinz Hodenherz: Da hättest Du auch noch diebischen Spaß daran gehabt.

Hauptmann: Na gut, da hätte es mich aber auch getroffen, weil ich damals der irrigen Ansicht war, den Spaß fast ernst zu meinen. Das ist das Widersinnige dabei. Ich glaube, wenn man eine Band gründet, ist man da deutlich dünnhäutiger: „Oh Gott, mein Baby“! Jetzt ist das Baby zehn Jahre alt, es kann sich ganz gut wehren, und wenn es mal eine Ohrfeige kriegt, dann haut es halt eine zurück. Dieses Jahr hat uns die Geschichte sehr überrascht, aber es war auch sehr schön, die Reaktionen darauf zu sehen, die von unseren Fans kamen, von Leuten, die einfach bemerkt haben, dass das nicht in Ordnung ist.

Prinz Hodenherz: Die geilste Reaktion darauf, bei der wir uns am meisten bestätigt gefühlt haben, war in etwa: „Ich finde FEUERSCHWANZ auch Kacke, aber die Methodik, die Band auszuladen, ist Fascho-Methodik. Das sind keine Sexisten, das ist nichts, was man zensieren müsste“. Das war die beste Bestätigung unserer Sache, zumal das nicht von einem Fan kam. Ein Fan würde ja alles für die Band sagen, aber es haben sich auch Leute auf unsere Seite gestellt, die unsere Mucke eigentlich gar nicht mögen. Ich hatte dabei gemischte Gefühle, hatte dabei ein lachendes und ein weinendes Auge. Das eine waren die Reaktionen der Leute, und das andere war, dass die sowas überhaupt machen.

Hauptmann: Das hat uns schon sehr erschrocken, dass es tatsächlich junge Menschen gibt, die so eine Verbohrtheit, so eine Verbissenheit und Härte haben, und dass die das dann auch schaffen, eine Band auszuladen. Mitten in Deutschland, das hat uns sehr erschrocken.

Rüdiger: In der Vergangenheit waren von solchen Vorgängen eher andere Bands betroffen, die deutlich kontroverser sind als Ihr. Aber drauf einstellen kann man sich eigentlich nie, oder?

Hauptmann: Nee. Deswegen bin ich auch stolz, dass sich die Geister daran reiben. Aber dass es wirklich Menschen gibt, die so verbissen und verbohrt sind, ist erschreckend. Darum machen wir auch weiter.

Prinz Hodenherz: Die Interessengruppe, die das durchgesetzt hat, war ja auch ein Schwulen- und Lesbenreferat, eine Gruppe, die eigentlich Weltoffenheit und Toleranz gegenüber Randgruppen propagiert. Hast Du schonmal unsere Bühnenfee gesehen? „Bück‘ Dich Fee, Wunsch ist Wunsch“, wo ein Kerl als Fee verkleidet auf der Bühne ist, das ist doch eigentlich eine schwule Transennummer. Wir machen es einfach, weil’s Gaudi ist.

Rüdiger: Man kann natürlich sagen, dass ein paar „gute“ Songs keinen „bösen“ aufwiegen. Trotzdem muss man auch darauf verweisen, dass Ihr Songs habt, in denen es um weibliche Emanzipation geht, wenn ich zum Beispiel an „Jungfernkranz“ denke, wo die Frauen das Heft in die Hand nehmen. Oder „Toleranz“.

Prinz Hodenherz: Man sollte sich einfach über alles lustig machen können. Es könnte sonst ja auch die Vereinigung für heterosexuelle, weiße Männer kommen und behaupten, die Männer kämen voll schlecht weg bei FEUERSCHWANZ. Hör Dir mal „Zuckerbrot und Peitsche“ an, da werden Männer ja voll blöd dargestellt. Wäre das gleiche Spiel, wenn die uns dann von ihrem Festival ausladen würden. Viel Spaß.

Rüdiger: Ist das Ganze bei Euch eigentlich noch im Alltag Thema, oder habt Ihr die Sache mehr oder weniger abgehakt?

Hauptmann: Naja, dadurch, dass wir gerade im Songwriting stecken, war das Ganze auch inspirierend.

Rüdiger: Werdet Ihr das lyrisch verarbeiten?

Prinz Hodenherz: (grinsend) Ja.

Hauptmann: Wir haben eigentlich direkt einen Song darüber gemacht. (direkt ins Mikro) Dankeschön für diese Aktion. Das habt Ihr jetzt davon. Die hören doch mit da, oder? Ihr aus Osnabrück da.

Feuerschwanz - Auf's LebenRüdiger: Wo wir gerade beim Thema Frauen sind: Was ist eigentlich mit Johanna? Schreibt die auch an den Songs mit, oder gibt sie vielleicht ein paar Inputs, die die Männer auf die Schippe nehmen?

Hauptmann: Das würde ich mir von Johanna noch wünschen.

Prinz Hodenherz: Sie ist keine Texterin.

Hauptmann: Ihre Inputs sind durchschlagender Natur. (lacht)

Prinz Hodenherz: Nonverbal.

Hauptmann: Auf dem Album ist es so, dass mehr und mehr die ganze Band am Songwriting beteiligt ist, und da ist Johanna auch am Start. Ich werd’s ihr aber mal erzählen, ob sie nicht auch mal die Feder in die Hand nehmen und aus ihrer Sicht mal was texten möchte.

Rüdiger: Am Bass seid Ihr gerade mit Taugenix neu besetzt, wie sieht’s mit seinen Inputs aus?

Hauptmann: Dümmlich. (allgemeine Belustigung) Nein, wir sind wirklich sehr, sehr glücklich mit dem Taugenix. Wir haben lange an seinem Namen gefeilt, witzigerweise war es dann ein Kumpel von uns, der darauf kam. Auf so einen tollen Namen sind wir selber gar nicht gekommen.

Prinz Hodenherz: Das war ein Kumpel in der Kneipe. Der Taugenix ist ja mein Nachbar. Ich höre ihn zu Hause Gitarre spielen, so nah wohnen wir aneinander. Wir sin auch musikalisch Partner. Wenn ich mit einem Text nicht weiterkomme, dann hocken wir uns zusammen hin, und dann geht’s auch weiter. Er liefert auch manchmal irgendwelche wirren Dinger, die ich dann gut machen muss. Ich glaube schon, dass wir uns da gegenseitig ergänzen. Da ist das natürlich auch gut, wenn man nebeneinander wohnt.

Rüdiger: Ist Erlangen ein gutes Pflaster für Musiker wie Euch? Ich meine, J.B.O., die Gaudi Metal-Kapelle schlechthin kommt von da, Ihr auch, HYRAX aus Nürnberg…

Hauptmann: Hodi ist ja richtiger Nürnberger, ne?

Prinz Hodenherz: Ja, keine Ahnung, wie es da in Erlangen aussieht, aber in Nürnberg ist’s ganz ok.

Rüdiger: Ihr seid nicht zufällig auch noch mit HYRAX befreundet?

Prinz Hodenherz: Jaja. Ich hab‘ mit dem Schlagzeuger von HYRAX zusammen in ´ner Band gespielt, SILENT RAIN. Coverband vom Dorf.

Hauptmann: Ach, Du bist Schuld, dass es hier so leise regnet! (lacht)

Rüdiger: Ok, vielen Dank für das tolle Interview, finde ich wirklich super, dass Ihr die Zeit gefunden habt. Natürlich gehören die letzten Worte der Band, also haut raus, was Ihr noch sagen wollt!

Prinz Hodenherz: Wir haben da so ein Spiel.

Hauptmann. Ja. Wort für Wort.

Rüdiger: Ach so, das macht Ihr dann untereinander? Na dann, los geht‘s.

Die folgenden Worte werden immer einzeln von den beiden beigetragen, angefangen mit dem Hauptmann: Ich – möchte – Euch – mitteilen – dass – es – an der – Nille – kratzt – und – an – der – Rille – steil – juckt – deshalb – ist – es – an – der – Zeit – Euch – zu – verzeihen – dass – Ihr – damals – vor – hundert – Jahren – Eure – Mutter – mit – dem – Nudelholz – und – der – Vaterschaftsklage – an – dem – Analschacht – fest – getackert – habt.

Rüdiger: Sorry, jetzt muss ich doch noch mal nachhaken. Läuft das Songwriting bei Euch auch so?

Hauptmann: Könnten wir mal machen. Der Wort-für-Wort-Song. Man weiß am Anfang nicht, was am Ende dabei herauskommt.

Prinz Hodenherz: Geile Idee.

Hauptmann und Hodi mit dem rasenden Reaperzine-Reporter

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