Bericht: Wacken Open Air 2018

Nach 29 Auflagen immer noch das Maß aller Metal-Dinge

von V.A.

Flyer Wacken Open Air 2018

Ein Bericht von Burn von Pey und Christian Kulike

Unverhofft kommt oft – nachdem ich für dieses Jahr zunächst komplett schwarz gesehen habe bezüglich einer weiteren Wacken-Teilnahme meinerseits, schreibt mich kurz vor knapp der liebe Burn von Pey über Facebook an - der seinerseits als Foto-Beauftragter für das Reaperzine eingesprungen ist. Der Schreiberling-Posten ist kurzfristig frei geworden, und aufgrund meiner unglaublich eloquenten Ergüsse für andere Webzines in den vergangenen Jahren fällt die Wahl auf mich. Oder liegt es vielleicht an der Unkenntnis eben dieser? Wie auch immer – Here I am!

Donnerstag, 02.08.2018:

Kurzfristig ist es allerdings nur noch möglich, eine Anreise am Donnerstag zu organisieren, was dem Burn aber auch ganz gut in den Kram passt und sich im Endeffekt noch als Segen für unsere schon nach drei Tagen stinkenden, ausgezehrten Leiber entpuppen wird. Aber der Reihe nach. Netterweise werden uns von Freunden auf dem feinen Campground P nicht nur Plätze freigehalten, sondern gleich auch Zelte aufgestellt. Also nur schnell auf den Presse-Parkplatz, und ab geht die Reise, stilecht mit ein paar Bier im Gepäck und dem Nötigsten zum Überleben, wie der Popcorn-Pfanne für den Grill, über der Schulter. Schon auf dem Weg zum Platz wird auffällig, wie sauber alles ist! Das kenne ich aus meinen bisherigen Wacken-Teilnahmen, immerhin 17 seit meinem Debüt 1997, deutlich anders. Vermutungen, dass wahrscheinlich über den Tag immer der ganze Unrat in der Sonne schmilzt, liegen nahe, können aber nicht eindeutig verifiziert werden.

TremontiNach den ersten Begrüßungsritualen im Camp heißt es dann auch: Schnell, keine Zeit verlieren, und auf geht's zur für uns ersten Band des Festivals: TREMONTI! Da ich die Herzen unzähliger Frauen mit Karaoke-Versionen von alten CREED-Schinken gewinnen konnte und ich außerdem unheimlich auf ALTER BRIDGE stehe, bin ich Herrn Tremonti schon per se zu großem Dank verpflichtet. Außerdem ist das aktuelle Album seiner Solo-Band sehr amtlich geworden und tönt seit Veröffentlichung gerne immer wieder bei mir über die heimische Anlage. Also sind die Erwartungen an das Konzert dementsprechend hoch – und können diesen leider nicht ganz gerecht werden. Zum einen liegt das an der Song-Auswahl und vor allem deren Reihenfolge. So dauert es ganze neun Lieder, bis etwas vom aktuellen Album zum Besten gegeben wird – warum geht man mit seiner aktuellen Veröffentlichung nicht selbstbewusster um? Auch ist mir persönlich der Anteil an Songs der Zweitveröffentlichung "Cauterize" zu hoch, die ich für das schwächste Album der Band halte – diese nehmen ein Drittel des Konzerts ein. Größtes Manko ist allerdings der Sound – was fett klingen soll, wird zu Matsch. Schade, aber glücklicherweise während des Festivals eine Ausnahme – ansonsten gibt es nur selten etwas über den Sound auf den großen drei Hauptbühnen zu meckern. Den Negativpunkten steht die unübersehbar große Spielfreude der Musiker entgegen, die sich über eine stetig wachsende Menschenmenge, die gut mitfeiert, freut. Alles in allem allerdings trotzdem ein eher zwiespältiges Konzert-Erlebnis.

Dokken

Und wo wir gerade bei zwiespältig sind, was liegt näher, als sich das folgende VINCE NEIL-Konzert anzuschauen? Der immer mehr zum Kugelfisch mutierende Ex-Sänger von MÖTLEY CRÜE erfüllt alle Erwartungen, welche für mich darin bestehen, weiterhin nicht singen zu können und auf Nummer sicher zu gehen. Wer will es ihm verdenken – die anwesende Menschenmenge tut es jedenfalls nicht und feiert zu den größten CRÜE-Hits wie "Dr. Feelgood", "Girls, Girls, Girls", "Kickstart My Heart" und so weiter und so fort. Vom Charme vergangener CRÜE-Auftritte ist das Ganze allerdings meilenweit entfernt. Ein Extralob muss allerdings noch an den Schlagzeuger gehen, der mit seiner extravaganten Show noch am meisten für Aufsehen sorgt. Unermüdlich bangend traktiert er mit allen ihm zur Verfügung stehenden und im Sinne des Jugendschutzes bedenkenlos einsetzbaren Körperteilen sein Schlagzeug, und es landen zwischenzeitlich mehr Füße als Sticks auf den Becken seines Kits. Die Sticks sind derweil in einem offensichtlichen Rekord-Versuch von Hochwerf-Auffang-Jonglage während des Spielens der Songs mehr in der Luft als alles andere. Eventuell handelt es sich bei diesem Verhalten aber auch um einen verzweifelten Bewerbungs-Versuch bei den diversen Schausteller-Truppen des Wackinger Villages, um seiner Band entfliehen zu können.

BehemothDa zu viel Kugelfisch in der prallen Sonne sehr ungesund sein soll, gebe ich dem folgenden DIRKSCHNEIDER einen Korb. Stattdessen versuchen verzweifelte Camp-Mitbewohner – schönen Gruß an Timmi – mir zu erklären, wo der Sinn und Unterschied zwischen U.D.O. und DIRKSCHNEIDER liegt, bis mir schließlich zu dämmern beginnt, dass das wohl so ein Kugelfisch-Ding sein muss, seine alten Bands zu covern, um noch ausreichend Liebe von der Community zu bekommen. Daher kann ich DIRKSCHNEIDER bestimmt irgendwann in den nächsten 20 Jahren noch mal live bewundern und bin nicht mehr ganz so traurig. Stattdessen freue ich mich auf die nun in der prallen Sonne auftreten müssenden BEHEMOTH. Es ist ein hartes Los, als Black Metal-Institution unter solchen Bedingungen böse zu sein, aber BEHEMOTH schlucken die Kröte und deibeln trotzdem ordentlich drauflos. Ein klassisches Black Metal-Set ohne Kompromisse. Sehr gut gefällt mir die ganze Gestaltung der Bühne – schwarz dominiert, saugeile Mikro-Ständer in Form von stehenden Schlangen, düstere Ornamente aus Metall und ein mächtiges, schwarz-weißes Backdrop in schönster Black Metal-Manier. Über allem thronen sehr effektvoll die beiden in weißem Glanzlack gehaltenen Bassdrums – die immer wieder ein wahres Inferno entfachen. An richtigen Flammen wird ebenfalls nicht gespart, Pyros, soweit das Auge reicht. Obwohl ich kein einziges Album der Band besitze, bin ich doch sehr angetan von der Show, und Langeweile kommt zu keinem Moment auf! Starkes Konzert!

Behemoth

DanzigGut gelaunt geht es dann zu DANZIG – eine Legende, da braucht man kein Wort drüber zu verlieren! Allerdings fällt es mir auch schwer, in Worte zu fassen, wie schlecht dieser Auftritt war. Wirklich ganz, ganz furchtbar, was der Mann hier abliefert. Stimmlich total neben der Spur, keine Ausstrahlung, kein Zauber, einfach traurig. Ich bin mit mehreren Leuten da, alle sind unfassbar enttäuscht. Geht nicht anders, da muss man auch mal früher gehen, und ich bin eher froh, dass ich nicht höre, was er diesen Abend mit "Mother" angestellt haben mag... Außerdem gibt es eh eine Überschneidung mit WATAIN, die ich noch nie gesehen habe, was ich aber unbedingt nachholen will! Ich bin teilweise enttäuscht, aber irgendwie auch froh, dass man sich im Hause WATAIN scheinbar nicht mehr mit geronnenem Schweineblut einschmiert vor den Auftritten – das hätte einen Spaß gegeben im heißen Zelt der Headbanger Stage! Trotzdem merkt man dem Konzert seinen sehr eigenwilligen und speziellen Charakter sofort an, Frontmann Erik Danielsson ist echt auf 'nem ganz besonderen Trip, und seine Mitmusiker und weite Teile des Publikums folgen bereitwillig seiner schwarzen Messe. Unbestritten ein Faszinosum und musikalisch auch ziemlich weit vorne – "Malefitor" ist hier mein absolutes Highlight. Das Zelt war mit Sicherheit die richtige Wahl für dieses außergewöhnliche Konzert.

John Diva & The Rockets Of Love

Nun noch schnell zur Beergarden Stage, komplettes Kontrastprogramm – die letzten Minuten von JOHN DIVA AND THE ROCKETS OF LOVE schauen. Leider reicht es nur gerade noch für das Cover von "Paradise City", was eine Beurteilung des Konzerts ziemlich schwierig macht. Sie gelten ja teilweise als die deutsche Version von STEEL PANTHER – was die Kostüme angeht, kann man da jedenfalls zustimmen, und die Stimmung im Publikum war ebenfalls bestens. Nächstes Mal schaue ich mir mehr an.

Judas PriestNahtlos geht es weiter mit JUDAS PRIEST – man kommt aus dem Rennen nicht mehr raus. Klarer Fall, zu dem Konzert wollen alle hin, und natürlich platzt hier mal wieder das Holy Wacken Land aus allen Nähten. An der Stelle auch noch mal der Hinweis, dass ich die 75.000 Besucher für ein Märchen halte, es sind auf jeden Fall 100.000. Wie auch immer, die Menge bebt vom ersten Song an, "Firepower" vom extrem starken neuen Album eröffnet ein 90-minütiges Set voller Highlights – die größtenteils aus der ruhmreichen Vergangenheit stammen. Bis auf die drei Songs von "Firepower" ist kein Song auf den Alben von nach 1990 vertreten! Sprich – "Painkiller" ist der jüngste Song! Das freut natürlich mehr, als dass es stört. Ein weiterer Grund zur Freude ist immer noch der "neue" Gitarrist Richie Faulkner, der der Band hör- und sichtbar neues Leben eingehaucht hat. Alle haben spätestens seit dem neuen Album wahnsinnig Bock – da kommt die Botschaft der Parkinson-Erkrankung von Glenn Tipton zum schlechtesten Zeitpunkt. Umso cooler, dass er überraschend für die letzten drei Songs die Bühne entert und noch mal zur Gitarre greift! Rob Halford ist stimmlich über jeden Zweifel erhaben – gedächtnistechnisch lässt es aber scheinbar immer mehr nach, kaum ein Song ist nicht geprägt von seiner über die Teleprompter gebückten Körperhaltung. Aber Schwamm drüber – das Konzert ist ansonsten wirklich top, und so lange es in der Qualität weitergehen kann, bin ich froh, wenn am Ende in dicken Lettern geschrieben steht: "The PRIEST will be back".

Judas Priest

Danach endlich zurück zum Camp und mal die Füße hoch legen – für zwei Minuten. Dann kommt eine Horde marodierender Camper vorbei, unter Federführung einer Verrückten haben sie sich zur Aufgabe gemacht, aus jedem Camp einen Bewohner mitzunehmen. Nachdem mein Camp großzügigerweise mich nominiert hat und ich zudem mit einer Dose Apfel-Cider gefügig gemacht werde, bleibt mir keine Wahl, und ich ziehe mit diesen Barbaren brandschatzend bis drei Uhr nachts über die Felder.

Freitag, 03.08.2018:

Die Kutte des TagesSo heiß es tagsüber ist, so sehr friert man nachts, wenn man nicht aufpasst. Immerhin hat aber die Matratze ihre Luft gehalten, was man bei Burn trotz Doppel-Matten-Versorgung nicht behaupten kann. Gut an unserem Camp ist, dass wir 20 Meter neben dem Kaffeestand hausen. Besser ist, dass trotzdem noch der mobile Kaffee-Ausschank immer wieder bei uns vorbeischaut. Also, Kaffee in die Hand, Grill an und Popcorn machen. Traditionen muss man pflegen! Vor der ersten Band für heute stellen wir fest, dass das Bier noch gut reingeht, auch wenn es direkt aus dem 30 Grad heißen Zelt entnommen wird. Man ist ja nicht zum Spaß hier! Trotzdem ist die Freude groß, im Wackinger Village vor dem Konzert doch noch ein kaltes Weizen zu erstehen. ein Liter zu 10,- €. Tja – leider geil.

AmarantheLos geht der Konzerte-Reigen mit AMARANTHE – die eierlegende Wollmilchsau des Metal, wie wir feststellen können. Eine Sängerin, die super aussieht und singen kann, ein Sänger zum Trällern und ein Grunzer für die nötige Härte. Die Songs haben jede Menge Pop-Appeal, erinnern teilweise aber auch an SOIRLWORK und gehen generell gut ins Ohr. Die stetig wachsende und super aufgelegte Zuschauerschaft feiert die Band jedenfalls gut ab – zu Recht, wie ich meine.

Cannibal Corpse

Cannibal CorpsePoppig geht es weiter mit CANNIBAL CORPSE. Hit reiht sich an Hit, Frauenherzen schlagen höher, als der Corpsegrinder seinen Charme spielen lässt. CANNIBAL CORPSE liefern das ab, was man von ihnen erwartet. Hier gibt es aber auch einen handfesten Skandal zuvermelden, denn "The Neck" fällt laut Burn kurz aus der Reihe, weil er für einen Sekundenbruchteil so etwas wie ein Grinsen, sprich gute Laune, auf seinem Gesicht erkennen lässt. Er dreht sich aber schnell vom Publikum weg und ist im nächsten Moment wieder ultraböse. Dennoch bleibt natürlich der Eindruck, dass CANNIBAL CORPSE weich werden. Das können wir nicht ertragen und gehen zum Biergarten, wo eine besondere Überraschung auf uns wartet: SALAMANDA. Ich kann das eigentlich nicht in Worte fassen, unpassender kann man keiner Band einen Slot geben. Was ist das da eigentlich, was die machen? Bitte googeln und Kotztüten bereithalten. Wir hatten Angst, unsere Kameras gehen kaputt, und haben kein Foto gemacht. Da wir auch extreme Angst um Ohren und Verstand hatten, wurde erstmal schnell das Bier runtergekippt und wieder in Richtung CANNIBAL CORPSE geflohen, wo wir uns zu den wohligen Klängen von "Hammer Smashed Face" wieder sicher und behütet fühlen konnten.

Amorphis

Bei AMORPHIS ist danach erstaunlich viel Platz vor der Bühne. Zum größten Teil wird das wohl an der unglaublichen Mittagshitze liegen, die um inzwischen 13:30 ihren Höhepunkt zu erreichen scheint. Zum Anderen ist das neue Album vielleicht doch nicht ganz so stark, wie es die Rock Hard einem einreden will. Die Musik auf "Queen Of Time" ist meiner Meinung nach ähnlich, aber spannungsärmer als auf dem Vorgängeralbum, und das Konzert enthält vier Songs des neuen Outputs. Es reicht halt zum Mitwippen mit Fuß und Kopf, aber taugt nicht zum kompletten Ausrasten. Highlight ist dann sicher der Doppelpack der beiden älteren Songs "Against Widows" und "The Castaway". Aber dass man sich mal wieder "Black Winter Day" verkneift, finde ich ziemlich doof.

Es ist warm!

Danach ist es erstmal Zeit, sich das Infield etwas näher anzuschauen. Eine super Sache sind natürlich bei den Witterungsbedingungen die kostenlosen Trinkwasserstellen, auch wenn es durchaus eine oder zwei mehr hätten sein können. Die Trinkpäckchen, die man zum Befüllen im Full Metal Bag bekam, reichen mir aber nicht aus, und ich bin froh über meinen Liter-Krug. Fressalien gibt es natürlich wieder in Hülle und Fülle, für Veganer, Vegetarier und Egalier, denen eh alles Latte ist, was sie in sich reinstopfen, der Magen-Darm-Trakt kann ja ohnehin nichts mehr anständig verwerten bei den Alkoholmassen, die es zu bewältigen gibt. Klos sind genug da, ein bisschen Merch, am Rande auch die Zone für Leute, die Wert auf Handgekritzeltes ihrer Idole legen und sich Autogramme auf die Plauze geben lassen. Bierstände gibt es in Hülle und Fülle, und dazu noch die mobilen Bier-Engel, die mir sehr gut gefallen, weil sie das Bier fairerweise immer randvoll machen. Also insgesamt alles sehr cool auf dem Gelände. Nichtsdestotrotz gehen wir erstmal aus der Sonne und befüllen unseren Pool mit kaltem Wasser, Füße rein, herrlich. Kaltes Bier auf dem zeltplatzeigenen Supermarkt kostet 2,- €, fairer Kurs, und für ein kaltes Bier würde mancher auch mehr zahlen. So kann man es sich gut gehen lassen!

Children Of BodomDennoch soll es noch besser werden, als CHILDREN OF BODOM am frühen Abend eines der besten Konzerte des Festivals geben. Vor einigen Wacken hatte ich mich noch richtiggehend gelangweilt und der Band abgesprochen, dass sie noch das nötige Feuer hätten – davon sind wir hier heute Abend meilenweit entfernt! Spielfreude pur, beste Laune bei allen Musikern, obergeile Song-Auswahl. Dazu endlich gemäßigte Temperaturen, leicht einen sitzen und keine Termine. Alexi Laiho nimmt man heute Abend kein einziges "fuck" in seinen Ansagen krumm, Mr. Warman spielt einhändig, um mit der anderen Hand Bier zum Exen zu heben oder Handyvideos zu drehen, und ich habe das Gefühl, bei einer Band Anfang ihrer 20er zu sein. Bin mal gespannt, ob sie diese Energie auch wieder auf einem eventuell bald erscheinenden Album konservieren können. Für heute Abend sind die Fans jedenfalls restlos glücklich.

Children Of Bodom

NightwishJetzt könnte die Party bei TROLLFEST weitergehen, aber leider ist der Sound auf der Wackinger Stage so miserabel, dass die Band total Scheiße wirkt. Ich habe sie vor ein paar Wochen auf dem RockHarz gesehen, wo sie im richtigen Umfeld eine riesige Sause veranstaltet haben – dazu kommt es hier leider nicht, viele der zahlreichen Instrumente sind überhaupt nicht wahrzunehmen, der Rest ergibt einen grausamen, scheppernden Soundbrei. Enttäuscht ziehen wir ab. Zeit für den nächsten Headliner, NIGHTWISH geben sich die Ehre und spielen ein romantisches Konzert in der schönsten Abenddämmerung. Hier wird ein schöner Querschnitt aller Schaffensphasen geboten, Floor Jansen singt prächtig und sieht ziemlich elbisch aus in ihrem Kostüm. Natürlich ist das Infield supervoll, und weil das hier alles so gut ins Ohr geht, fällt der Abstecher zu den Legenden von CLAWFINGER quer über's Feld leider flach. Die Videos, die im Hintergrund flackern, reichen in ihrer Bandbreite von stimmungsvoll bis kitschig, eben genau passend zur Musik. Immer könnte ich sowas nicht hören, aber mal ist's halt auch ok.

Nightwish

Immer hören kann ich hingegen IN FLAMES – und wenn sie live auftreten, sowieso. Eine wahnsinnige Lichtinstallation wird einem hier geboten, sehr modern, hektische Videos und Grafik-Fetzen fliegen über die Leinwände und diversen Pfeiler, die die Bühne symmetrisch unterteilen. "My Sweet Shadow" und "Pinball Map", was für ein grandioser Start. Das immer noch berstend volle Infield rastet aus, "Cloud Connected", gute Ansagen, gutes Stage Acting, super Sache. Einziger Schwachpunkt ist das in der Mitte des Sets platzierte "The Chosen Pessimist", denn um ca. ein Uhr nachts pennt man zu den sphärischen Klängen, die das Tempo komplett rausnehmen, eher ein als alles andere. Gut, dass spätestens zwei Songs später mit "Only for the Weak" alles vergeben und vergessen ist, hier gibt noch mal jeder alles. Auch der Rest des 16 Songs umfassenden Gigs lässt keine Müdigkeit mehr aufkommen.

Ghost

Dafür kommt das Männchen mit dem Hammer unmittelbar nach diesem Highlight - die nur 15 Minuten Wartezeit auf GHOST sind eine harte Herausforderung! Allerdings haben sich dieser noch ziemlich viele Metal- (oder Pop-?!) Heads gestellt und lauschen den ersten Klängen von "Rats" - zugegebenermaßen ein Hit. Mr. Emeritus Forge stakst in seiner starren Maskerade die diverse Treppen und Stufen umfassende Stage entlang und wirkt irgendwie wie ein Musicaldarsteller. Die begleitenden Musiker in ihren identisch aussehenden Kostümen sollen eventuell etwas Mystisches, Unheimliches, vielleicht Okkultes vermitteln. Für mich wirkt es leider eher langweilig, uniform, aus der Retorte. Und bei der Musik möchte man eher tanzen und schunkeln als eine schwarze Messe feiern. Das alles passt vom Gesamtkonzept für mich nicht zusammen. Und da weder mich noch Burn die nachfolgenden Lieder vom Hocker hauen, verlassen wir nach vier Songs gegen zwei Uhr morgens diesen traurigen Saloon.

Samstag, 04.08.2018:

Metal YogaAufgewacht, Grill nur für Popcorn angemacht, ein paar Bierchen. Perfekte Vorbereitung für den anstehenden Frühsport: Metal Yoga lockt nicht wenige Metaller schon um 11 Uhr morgens zum "Welcome to the Jungle"-Zelt – eher ein offener Pavillon mit Bühne und Theke (natürlich). Dem um Ausgleich bemühten Metalhead wird hier, wie jeden Morgen um diese Zeit, die Gelegenheit gegeben, sich mal richtig zu erden – im wahrsten Sinne des Wortes, denn das gerät hier schnell zu einer Staubschlacht, und die verschwitzten Leiber ziert eine weitere Schicht heiliger Wacken-Erde. Ich mache die ersten Übungen mit, und es wird schnell klar, dass es sich eher um einen Aerobic-Kurs handelt als um Yoga. Auf der Bühne steht eine Front-Hopserin, die ihre Ansagen zu grölen versucht, was ihr mehr schlecht als recht gelingt. Zu Klängen von Metal-Klassikern aus allen Unter-Genres holen sich die Teilnehmer gediegen ihre Staublunge ab.

Ein Eis zur AbkühlungAls die Staubwolke immer undurchdringlichere Ausmaße annimmt, ergreife ich schließlich die Flucht ins nebenstehende Party-Zelt zu LOVEBITES aus Japan. Das ist eine reine Frauenband, die ihren Power Metal sehr technisch versiert präsentieren und die nicht kleine Menge an Zuschauern stark zu begeistern wissen. Die Sängerin tritt im weißen Hochzeitskleid auf die Bühne und bietet eine stark motivierte Show. Ihr Organ ist verdammt hoch und etwas quäkig, die Lautstärke der gesamten Band ist wahnsinnig hoch und es tut einem schon echt weh. Immerhin locken sie so von außen immer mehr Leute an, die sie frenetisch abfeiern. Allerdings fehlen mir irgendwie die wirklichen Hits, hängen bleiben tut erstmal nichts. Die Band ist vor allem aufgrund der Zusammenstellung und Herkunft eine Attraktion und irgendwie passt es, dass sie in dieser Art Zirkuszelt auftreten.

GOJIRA sind eine super Band, die ich bisher leider nicht so richtig verfolgt habe. Das, was ich von Platte gehört habe, hat mich immer überzeugt. Leider kann das Konzert mich heute aber nicht fesseln. Irgendwie ist mir der Sound zu undifferenziert und die Songs zünden bei mir nicht. Burn ist da allerdings anderer Ansicht und findest es richtig gut. Ich verpiesele mich in der Mitte des Sets allerdings lieber zur Louder Stage, wo DIE APOKALYPTISCHEN REITER auftreten. Man kann ihnen nicht absprechen, dass sie die Massen zu begeistern wissen, und der Frontmann ist auch wirklich sympathisch. Allerdings sind sowohl Show, als auch Musik einfach nicht mein Ding, ich werde nicht damit warm. Daher hält sich meine Begeisterung etwas in Grenzen, was den Fans vor der Bühne aber ganz anders geht. Hier wird eine ziemliche Party am Vorabend veranstaltet! Das Set dauert insgesamt 75 Minuten, genug Zeit, um Songs von jedem Album zu präsentieren und sich anständig abfeiern zu lassen.

Die Menge bebt

Darin sind natürlich auch STEEL PANTHER ganz groß, die aus gutem Grund auf der Harder Stage auftreten. So viele nackte Brüste sieht man sonst nicht mal in El Arenal, und sie sind das zentrale Show-Element. Ansonsten wie immer jede Menge anzügliche und humoristische Ansagen unter der Gürtellinie, die man so oder so ähnlich schon 100 Mal gehört hat und die trotzdem nicht unlustiger werden – für mich jedenfalls. Man muss wahrscheinlich nur einfach genug gestrickt sein, um das hier genießen zu können, und das bin ich wohl. Musikalisch gibt es ein Highlight nach dem anderen, aber aufgrund der ausladenden Titten- und Laber-Elemente schaffen es nur ganze 12 Songs in die 75-minütige Show. Schade finde ich dabei immer nur, dass das zweite Album "Balls Out" aufgrund seiner Indizierung keine Berücksichtigung finden kann. Aber auch so ist die Party nicht zu stoppen, bei Hits wie "17 Girls In A Row", "Community Property" oder "Death To All But Metal" bleibt kein Höschen trocken.

Arch Enemy

Arch EnemyDanach geht es bestens aufgelegt zu ARCH ENEMY, die mit einem energetischen Set zu begeistern wissen. Die Band hat es einfach drauf, unglaublich geile Musiker, unglaublich geile Alben. Alyssa White-Gluz ist wie immer eine Augen- und Ohrenweide. Die Song-Auswahl ist sehr stark, no fillers. Da fällt es schwer, irgendetwas hervorzuheben. Nur bei "Nemesis" kommt dann der obligatorische Gedanke: "Ach, die Angela Gossow war schon auch 'ne geile Sängerin". Sie bleibt unvergessen und unerreicht, aber was Alyssa so abliefert, ist auch ganz weit vorne und überzeugt auf ganzer Linie.

Dimmu BorgirDIMMU BORGIR hätten ebenfalls das Potential, hier richtig was zu reißen. Nicht wenige sind sehr gespannt auf das Konzert und erwarten ein bombastisches Live-Comeback in Wacken nach all den Jahren. Was hat die Band doch für super Songs, wahre Klassiker. Und wenn man schon so anfängt, ein Konzert zu beschreiben, dann dämmert es dem Leser wahrscheinlich, dass es leider ganz anders kommen sollte. Kein Song von "Stormblast"! Keiner von "Spiritual Black Dimensions" und nur einer (!) von "Enthrone Darkness Triumphant", und das ganz am Ende des Sets. Was für eine Enttäuschung! Stattdessen viel vom danach erschienenen, nicht nur von mir vielfach als Einheitsbrei empfundenen Material. So zieht sich das Set sehr zäh über die gesamte Spielzeit. Ich habe zeitweise wirklich Probleme, die Augen offen zu halten. Entsprechend verhalten fallen auch die Publikums-Reaktionen der anderen Zuschauer aus. Für mich ganz klar eine der großen Enttäuschungen des Festivals.

Dimmu Borgir

Um das W.O.A. Positiv abzurunden, führt der nächtliche Weg dann noch zu IN EXTREMO, die es verstehen, mit ihrem Gute-Laune-Mittelalter-Metal um 1:40 Uhr noch mal das Ruder rumzureißen. Die Band ist glänzend aufgelegt und reiht einen Mitsing-Hit an den anderen. Dennoch muss ich leider zur Mitte des Konzertes meinem zusammenbrechenden Körper Tribut zollen und schleppe mich zufrieden zurück zum Zelt.

Fazit

Als Fazit dieses Festivals kann man festhalten – trotz des ganzen übertriebenen Zirkus und aller Metal-fernen Elemente wie z.B. der ESL-Zocker-Arena, die ich bewusst links liegen gelassen habe, ist und bleibt das Wacken Open Air das Maß aller Dinge. Nirgendwo in Deutschland wird diese Dichte an Top-Bands zusammengebracht. Und das alte Wacken-Gefühl ist auch immer noch größtenteils vorhanden, auch nach all den Änderungen und all dem Wachstum der vergangenen Jahre und Jahrzehnte. Spielt das Wetter dann noch so extrem gut mit wie dieses Jahr, ist die gute Laune garantiert. Ich denke, es war nicht mein letzter Besuch, und nächstes Jahr mache ich mit meiner 18. Teilnahme die Wacken-Volljährigkeit für mich perfekt.

Der krönende Abschluss

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