Bericht: "King Delusion"-Releaseshow

Musik zwischen Melancholie und Ekstase

von Jannis L.

Flyer Matapaloz Festival 2017

Ich erinnere mich an die Veröffentlichung des Zweitwerks der ostfriesischen Melodic Death/Doom-Kapelle NAILED TO OBSCURITY namentlich "Opaque" immer sehr gerne zurück. Viele Münder der heimischen Hörer standen bei der ersten Begutachtung der Scheibe wohl sehr weit offen, und dementsprechend sind auch die unglaublichen Entwicklungsschritte der Band nachvollziehbar, die der Release nun mit sich gebracht hat. Auftritte auf dem Summer Breeze oder dem allseits bekannten Wacken Open Air beweisen, dass NAILED TO OBSCURITY von einer kleinen Szeneband zu einer sehr professionellen Einheit gewachsen sind und die Herzen vieler Metal-Hörer erreicht haben. Nun sollte es nach all den Erfolgen mit einem neuen Album weitergehen, welches sich "King Delusion" schimpft und einen nächsten Schritt für die Band darstellt. Wer hier regelmäßig mitliest, dürfte das Review von meinem Kollegen Rudi gesehen haben, wer nicht, kann es hier nachholen. Aufgrund der Worte von ihm war ich sehr gespannt auf das, was man zu dem gleichzeitig mit dem Album angekündigten Release-Konzert in Aurich erwarten durfte. Davon gab es dann auch gleich zwei, neben dem Auftritt in der Heimat stand eines im thüringischen Eisenach, welche die Heimat der Vorband DÉCEMBRE NOIR ist, an. Stilistisch passt das das Ganze mit dieser Band im Vorprogramm auch perfekt zusammen. Der ganze Spaß kostete im Vorverkauf 6,-€ und an der Abendkasse 9,-€, was sich dann aber auch relativ schnell erledigt hat, denn bereits Wochen vor dem Konzert war der Abend ausverkauft, hier von mir mal ein dickes Lob an den Enthusiasmus der ostfriesischen Metalszene.

Decembre NoirNach einer unheimlich vernebelten Anfahrt war zur Ankunft um 20:30 Uhr der Alte Schlachthof in Aurich auch schon sehr gut gefüllt und die Stimmung relativ ausgelassen. Nachdem ich mir schnell "King Delusion" samt Shirt gekauft hatte, legte mit einer kleinen Verspätung dann auch schon die erste der beiden Bands, DÉCEMBRE NOIR, los, die ich auf dem vorletzten Schlachtfest schon einmal auf dieser Bühne gesehen habe. Damals hatten sie kein wirklich einfaches Publikum, aber ich denke, das hängt auch damit zusammen, dass der Rest des damaligen Abends im Zeichen der weniger melancholischen Death Metal-Bands lag. Gemäß des vergangenen Auftrittes hatten sie das Publikum aber nicht verdient, sie waren nämlich damals schon live ziemlich gut, und das einzige Album, das sie zu diesem Zeitpunkt hatten, namentlich "A Discouraged Beliver", war auch ein Album, das bei mir regelmäßig im Player gelegen hat. Nun legten sie mit ihrem zweiten Album "A Forsaken Earth" in der Tasche einen weiteren Versuch auf, um das ostfriesische Publikum endlich begeistern zu können. Und auch, wenn sie es beim ersten Mal schon bei mir geschafft haben, haben sie nun den ganzen Schlachthof mitreißen können. Die Präsenz des Sängers Lars Dotzauer erscheint mir – auch durch seine Erlöserfrisur (Da hast Du Deinen Terminus, Rudi!) begünstigt – als würde ich dem Messias persönlich gegenüberstehen. Aber Spaß beiseite, die Thüringer legten ein unglaublich gefühlvolles, professionelles und facettenreiches Programm auf das Bühnenparkett. Songs wie "A Discouraged Believer" und "The Forsaken Earth" waren schon immer meine Lieblingsnummern von ihnen, dafür war ich dann auch umso glücklicher, dass sie im Set zu finden waren. Da es im Vorprogramm keine andere Band gab, war das Set von DÉCEMBRE NOIR auch dementsprechend lang. Die über 70 Minuten wurden vom Publikum auch mit "Zugabe"-Rufen befeuert und belohnt, denn einen Song mehr haben die Jungs dann auch gespielt. Ein fantastischer Auftritt.

Decembre NoirSetlist DÉCEMBRE NOIR:

  • Waves Of Insomnia
  • Resurrection
  • Ghost Dirge
  • Décembre Noir
  • A Discouraged Believer
  • The Forsaken Earth
  • Small.Town.Depression
  • Distant And Unreachable
  • Greenhouse
  • Escape To The Sun (Zugabe)

Nailed To Obscurity

Nach der Umbaupause zwischen den beiden Bands, welche mit dem Treffen von Bekannten gespickt war, ging es dann auch schon relativ schnell mit der Band des Abends los. NAILED TO OBSCURITY schritten zur Bühne, und sofort war diese sagenhafte Verbindung zwischen Band und Publikum da. Von Sekunde Eins an hatten die Jungs den gesamten Schlachthof im Griff. Die Präsenz der Jungs, die Musik, die abgekühlte, aber dennoch emotionale Erscheinung. Alles passte sofort. Schnell bewegte sich das Publikum hin und her, ein Teil der Menge tobte, auch wenn es eigentlich in meinen Augen nicht so gut passt, zu solch melancholischer Musik einen Pit zu erzeugen oder zu headbangen. Aber nun gut, wer Spaß dabei hat. Man war auch relativ fix von der Mitte des Raumes weiter nach hinten gerückt, denn immer wieder ließ sich das Publikum zu Bewegungen hinreißen. Das muss man ja auch der ostfriesischen Szene lassen, sie ist stets enthusiastisch und supportet auch ungemein, wenn es um lokale Bands geht. Die Atmosphäre erinnerte mich auch etwas an das Rückkehr-Konzert von BATTUE auf dem letzten Schlachtfest, welches ich sehr positiv in der Erinnerung habe. Wo ich jetzt von Atmosphäre spreche: NAILED TO OBSCURITY legten auch eine leicht andere an den Tag, als ich es von ihnen zur "Opaque"-Zeit kannte. Die sphärischen Passagen des Albums übertragen sich auch in das Live-Set, diese Atmosphäre bestand allerdings dann auch über die Songs, die nicht auf "King Delusion" zu finden sind. Es wirkte unheimlich vereinnahmend. Diese Weiterentwicklungen, die die Jungs gegangen sind, lassen mich nur zu einem Schluss kommen: Diese Band hat noch ganz Großes vor sich! Das über 90 Minuten (!) lange Set von NAILED TO OBSCURITY teilte sich in zwei Abschnitte: dem kompletten neuen Album und einem Set mit älteren Songs. Gespielt wurde natürlich auch eine Zugabe, aber die hatte das Publikum auch allemal verdient.

Nailed To ObscuritySetlist NAILED TO OBSCURITY:

Set I

  • King Delusion
  • Protean
  • Apnoea
  • Deadening
  • Memento
  • Uncage My Sanity
  • Devoid
  • Desolate Ruin

Set II

  • Neon God
  • Sealed
  • Abyss
  • On The Verge Of Collapse
  • Opaque
  • In Vain (Zugabe)

Fazit

Ich glaube, jeder, der am 03. Februar nicht im Schlachthof in Aurich zugegen war, hat wohl mächtig was verpasst. Der Ausverkauf dieses Abends hatte schon lange darauf vermuten lassen, dass die Stimmung bei diesem Konzert gut sein müsste. Die exzellenten Performances von DÉCEMBRE NOIR und NAILED TO OBSCURITY waren etwas, das man auch irgendwie erwarten konnte. Aber dennoch war ich überrascht, wie vereinnahmt ich von dem Konzert war. Es ist ja nicht so, dass man es hier mit einem klassischen Underground-Konzert zu tun hatte, nein, hier standen gewissermaßen zwei ganz besondere Bands auf der Bühne, die im Kontrast zu den vielen anderen Nachwuchs- und Undergroundgruppen aus dem Death Metal in Deutschland stehen. Dieser Auftritt hat mich definitiv davon überzeugt, dass NAILED TO OBSCURITY eine sehr rosige Zukunft vor sich haben. Die Art, wie sie sich auf der Bühne geben, und der Grad an Güte der Musik erinnern mich sehr stark an größere Bands, auch wenn wir es hier in keiner Weise mit einer Kopie oder Ähnlichem zu tun haben. Im Gegenteil, die Band legt einen sehr eigenen Stil an den Tag. Ein denkwürdiger Abend.

Nailed To Obscurity

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