Bericht: Fuck Cancer Festival 2016

Besonders ist gar kein Ausdruck.

von Rüdiger Vinschen

Flyer Fuck Cancer 2016

Fotos wo markiert mit freundlicher Genehmigung des Knights of Thor H.M.C

Die Ereignisse am vergangenen Samstag warfen ihre Schatten weit voraus: schon im Vorfeld konnte man erahnen, dass auf dem ersten Fuck Cancer Festival im JuKI 42 keine Konzertroutine zu erwarten war. Die Knights of Thor Germany hatten sich viel vorgenommen für ihr erstes Festival, das ganz im Zeichen der Nächstenliebe stehen sollte. Alle Überschüsse sollten dem Kinderhospiz Sternenbrücke in Hamburg zugute kommen. Schon lange vor dem angesetzten Termin nahm das ganze Vorhaben eine Fahrt auf, die so wohl niemand für möglich gehalten hätte. Picture Credit: Knights of Thor H.M.C. & FamilyNicht nur standen innerhalb kurzer Zeit sieben Bands aus Deutschland und der Schweiz (!) fest, die spielen wollten, ohne dafür Gage zu verlangen (und wie EVERBLACK teilweise sogar noch ihre Merch-Einnahmen gespendet haben), auch weitere namhafte Bands, Labels und Akteure innerhalb und außerhalb der Szene (nicht zuletzt die Leute vom JuKI, die das alles mit großem persönlichen Einsatz erst möglich gemacht haben) leisteten ihren Beitrag. Ob von den Wacken-Chefs Hübner & Jensen, Nuclear Blast, das Baltic Open Air, KORPIKLAANI, DEBAUCHERY, BURIAL VAULT...von vielen kamen Spenden-Geschenke, Unterstützungsleistungen und und und. Schaut mal auf der Facebook-Seite der Knights of Thor vorbei, wenn Ihr im einzelnen wissen wollt, was da gelaufen ist. Eine gigantische Unterstützung und eine Beleg dafür, was diese Szene an Gutem zu leisten imstande ist!

Picture Credit: Knights of Thor H.M.C. & FamilyVon Beginn an war mir klar, dass ich Teil dieses Vorhabens sein musste, wenn auch nur als kleines Licht, das ein bisschen der Magie einfängt, die an diesem Tag über Ahrensburg lag. Die 250km Wegstrecke sind ja auch nicht die Welt, und es sollte sich lohnen! Ungewöhnlich ging's direkt los, und mit ungewöhnlich meine ich ziemlich pünktlich! Kurz nach dem angesetzten Beginn angekommen, musste ich feststellen, dasss die Opener A SENSE OF DISORDER schon zu zocken begonnen hatten. Das JuKI kenne ich ja schon, außer einer sehr willkommenen mobilen Fressbude vor dem Eingang war alles wie gehabt, also nichts wie rein, den schlappen Zehner Eintritt berappt, einige bekannte Gesichter begrüßt und ab vor die Bühne. Die Kieler legten vom Fleck weg mit einer ziemlich kernigen, modernen Death Metal-Interpretation los, und einem Smalltalk mit Moderator und Mitveranstalter Björn entnahm ich, dass die Bude so früh am Nachmittag auch noch nie so voll gewesen sei. Tatsächlich: vor der Bühne tummelten sich bereits so viele Leute wie sonst im ganzen Laden. Entsprechend spaß- und energiereich gestaltete sich das tighte Set von A SENSE OF DISORDER, die einen würdigen Einstand zum Aufwärmen ablieferten.

Trotz stramm durchgezogenen Zeitplans (noch was Ungewöhnliches: der übliche Verzug in der Running Order, den man sonst kennt, blieb nahezu aus) blieb zwischen den Gigs natürlich genug Zeit zum Quatschen, Futtern und um Merch abzuchecken. Und so hatte ich nun einige Zeit, eine Runde um die Bude zu drehen. Gegenüber der JuZ-typisch bestückten Theke (nein Leute, in einem JuZ gibt's nun mal generell keinen harten Alkohol) hatten sich die Merch-Verkäufer der Bands eingerichtet. Die Künstler selbst hielten sich zeitweise auch dort auf, und so ergab sich die eine oder andere Gelegenheit, zum CD-Kauf ein kleines Pläuschchen zu halten oder die Platte gleich signieren zu lassen. Draußen an der Fressbude gab's zu fairen Preisen (Nudelsalat für 1,50€, Pommes für 2,-€, sonst nichts über 3,- €) Imbissfutter, wovon ich besonders die Käsekrakauer empfehlen kann. Lecker.

Als zweites waren die Greifswalder Melodeather DYSTOPIA dran, auf die ich mich im Vorfeld besonders gefreut habe, auch deswegen, weil sie die einzige Band des Abends waren, die ich vorher schon kannte. Ihre erste Scheibe "Tools Of Oblivion" hatte ich seinerzeit auch im Review und fand sie ziemlich gut. Umso mehr freute ich mich, dass Brüllröhre Stefan und seine Mitstreiter ein paar neue Songs im Gepäck hatten und für ca. November einen weiteren Studio-Aufenthalt angekündigt haben. Fett! Und ebenso fett war das Publikum drauf, das die fünf Musiker gebührend abfeierte. Stefan wurde nicht müde, die schüchternen Leute auf den Rängen zu bitten, doch näher zu kommen (was sie natürlich nicht taten, das klappt doch fast nie), aber auch so war die Fläche vor den Brettern gut gefüllt, was in meinen Augen auch daran lag, dass der Gig am amtlichsten gerockt hat - auch dank des Stimmungstreiber-Covers "Roots Bloody Roots".

Picture Credit: Knights of Thor H.M.C. & FamilySetlist DYSTOPIA:

  • Intro
  • Circumsized
  • My Blood, My Oath, My Will
  • Tools Of Oblivion
  • From Defiance To Defeat
  • Religion, Death, Silence
  • The Eyes Of Truth
  • The Widest Pyre Of Mankind
  • Roots Bloody Roots
  • ...Denn Die Lichter Sind Kalt

Die Zeit zwischen den Gigs wurde, und das kannte ich bisher von derartigen Festival-Formaten so mal gar nicht, mit so mancher Ansage befüllt. Jede Band erhielt eine An- und Abmoderation von Knight Björn, der in seiner Rolle sichtlich aufging. Dazu hatten die Knights of Thor für jeden Interpreten einen Intro-Film vorbereitet, der über Beamer großflächig an die Wände geworfen wurde. Während der Auftritte diente das als zusätzliches Backdrop, während der Pausen lief immer wieder eine Dankeschön-Schleife für die Helfer und Unterstützer. Da hat sich jemand richtig Gedanken gemacht und verdammt viel Mühe gegeben. Die Organisation mutete so straff und professionell geplant an, da können andere Veranstalter noch was von lernen. Gut, so ein Heavy Metal Club bringt natürlich geballte Man- und Womanpower mit. Im Hintergrund erkannte man an den Clubkutten leicht die vielen ehrenamtlichen Helfer, die dann auch mit Spendendosen rumgingen und gegen ein bisschen Kleingeld auch zufälligen Nummern zugeordnete Dankeschön-Geschenke ausgaben.

Save Your Last Breath

Ehe man sich versah, standen auch schon SAVE YOUR LAST BREATH aus der Schweiz auf der Bühne und hatten nach der langen Anreise auch Bock, die Hütte richtig aufzuheizen. Der Soundcheck ließ doch ziemlich hoffen, denn sowohl Drummer David, als auch die Klampfer Dominik und Moritz ließen eine kleine, aber wilde Kostprobe ihres technischen Könnens los. Den Auftritt selbst fand ich persönlich dann aber enttäuschend. Nicht, weil er schlecht war, sondern weil ich einfach auf diesen übersimplen Metalcore nicht klarkomme. Wie kann jemand, der so verdammt gut zu spielen in der Lage ist, nur sein musikalisches Schaffen derart mit inflationärem Gebrauch von Breakdowns unter den Scheffel stellen? Saite anschlagen, abdämpfen. Zwei Minuten lang dieselbe Fingerhaltung am Gitarrenhals, ein bisschen variierte Anschläge. Sorry Leute, bei den (sehr seltenen) Soli und den melodischen Hooks und Leads wallte immer mal ein bisschen Freude auf, aber im Großen und Ganzen werde ich mich mit dem Stil wohl nie so ganz anfreunden können. Da ändern auch die schicken, großen Bühnenbanner nichts dran. Macht ja nichts, der übrigen Meute gefiel's wesentlich besser, und auch diesen Gig darf man ruhig als gelungen betrachten.

EversisMit Schweizern ging's nahtlos weiter, denn auch EVERSIS haben etliche hundert Kilometer zurückgelegt, um auf dem Fuck Cancer aufzuspielen. Der Stil jedoch unterschied sich deutlich, wenn auch der moderne Touch erhalten blieb. Bei dieser Combo stand Nu Metal auf dem Plan, und ich kann nur sagen, wem LINKIN PARK längst viel zu soft geworden sind, der sollte sich EVERSIS unbedingt mal antun. Mehr Druck, mehr Zerre, mehr Shouts, mehr alles. Kopfnicken garantiert! Saugeil auch, dass die geforderte Wall of Death tatsächlich zustande kam. Meine Schulter erzählt mir heute noch Geschichten davon. Fett! Bevor das Fünfergespann allerdings von der Bühne stieg, wurde es noch kurios. Ich meine, ok, bei Nu Metal muss man mit sowas rechnen, aber trotzdem. Auf die Ankündigung hin "Das war jetzt der letzte Song von uns!" packten sie - aufgepasst - "Disco Pogo" aus. Ja, Ihr habt richtig gehört. Atzenmusik. Es schmiss mich einfach hin, völlig unsicher, ob ich lachen oder weinen sollte. Das Ding war dann irgendwann gelaufen, und EVERSIS waren immer noch nicht fertig mit uns. Die ersten Akkorde von "Smells Like Teen Spirit" machten mich glauben, sie wollten mit diesem Cover alles wiedergutmachen. Pustekuchen! Die Nummer entpuppte sich als NIRVANA / EMINEM Mashup mit "Without Me"! Das hat mir den Rest gegeben. Auf den Schreck musste ein Beruhigungsbier her. Auf jeden Fall war das ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt!

Zwischen den Gigs war mal wieder Zeit, etwas Gutes zu tun, denn die Knights of Thor-Familie ging fleißig rum und sammelte Spenden ein. Als Dankeschön gab's zufällig ausgeloste Geschenke von Stickern über CDs und Shirts bis zu einer signierten DEBAUCHERY-LP. Der DYSTOPIA-Stefan geriet selbst zum Lacher, da er ein Shirt seiner eigenen Band zugelost bekam und sich herrlich darüber aufregte. Da kam ich mit u.a. einem KORPIKLAANI-Shirt von der letzten Tour besser weg.

Bandtechnisch ging's in den Nordwesten, denn die Oldenburger EVERBLACK drehten das Ruder wieder in Richtung Melodeath. Fünf sympathische Oldenburger Jungs ganz in schwarz mit Können und Bock, was soll da schief gehen? Richtig, gar nichts. Deutlich nachdenklicher, düsterer und auch schwärzer (in jeder Hinsicht) spulten EVERBLACK gekommt ihr Set ab. Hier hatte jeder Song eine - meist ziemlich makabre - Story zu erzählen, die Vokalist Lars in seinen vergleichsweise ausschweifenden Ansagen in aller Regel kurz umriss. Was soll ich sagen? Der Wechsel an der Rhythmusgitarre (Willkommen da oben, Lampi) und die knapp zweijährige Bühnenabstinenz haben ihnen nicht geschadet. Die zweite gelungene Wall of Death des Abends ist dafür wohl Beweis genug. Mal Ausschau halten, was hier in der Region so geht bei dem Gespann, eventuell gibt's auch irgendwann mal Silberlinge zu kaufen!

EverblackSetlist EVERBLACK:

  • Intro
  • Prevarication
  • Undead Depression
  • Pianocide
  • Ghoulish Artist
  • Frostqueen
  • Zombie
  • Everblack
  • Hunted
  • Wings Of Chains

Der Abend neigte sich langsam dem Ende. Draußen trotzten noch einige Raucher und Schlachtenbummler, die die Parkplätze rund ums JuKI schon den halben Tag mit ein wenig Festival-Flair adelten, den zunehmend in Richtung Nullpunkt abrutschenden Temperaturen. Als vorletzter Act nahmen PASSFADER aus Wilhelmshaven sich ein wenig mehr Zeit für Umbau und Soundcheck. Ursprünglich war geplant, dass die Vier den Release ihrer neuen CD in Ahrensburg feiern, aber ein paar Probleme beim Producing haben das Vorhaben zunichte gemacht. Auf die Schnelle wurde noch eine Demo zusammengebrannt, damit die Erwartungen der Fans nicht ganz enttäuscht wurden. Und ich glaube, es gingen so manche CD und so manches Shirt über die Theke, denn PASSFADER rissen das Ding mit ihrem Nu Metal-Core einfach mal ab. Die Aushilfe am Bass hat man auch gleich erkannt, da braucht man nicht erst den "Radio Gehacktes"-Aufkleber auf dem Instrument zu betrachten. Phil von HELLHEAD groovte die Basslinien cool runter und machte eine genauso gute Figur wie die anderen drei Kollegen. Die immer noch nicht müde Meute moshte sich einen zurecht und diente abermals als Beweis dafür, dass die Bands einfach gut drauf waren.

Picture Credit: Knights of Thor H.M.C. & Family

Die fortgeschrittene Zeit verlangte langsam, aber sicher ihren Tribut, und das ging auch an mir nicht vorüber. UPTOYOU mit ihrem deutschsprachigen Power Metal hörte ich mir noch für einige Songs an, aber angesichts der knappen zweieinhalb Stunden Heimweg auf der Autobahn ließ ich die coole Show schweren Herzens sausen und strich die Segel. Nicht zu früh, denn Sekundenschlaf ist der Tod. Aber keine Sorge, ich schreibe noch und bin wohlauf. Die Heimkehr um drei Uhr nachts reicht dann aber auch, und wenn einem der Moshpit noch in den Knochen steckt, merkt man seine 34 Lenze umso mehr.

Fazit

Picture Credit: Knights of Thor H.M.C. & FamilyIch kann nur vermuten, dass die anschließende Aftershow-Party noch richtig fett geworden ist. Die Jungs und Mädels vom JuKI und den Knights of Thor haben sich Party und Entspannung auch redlich verdient, denn was da auf die Beine gestellt worden ist, sucht schon seinesgleichen. Man merkte richtig das Herzblut, das in dieser Veranstaltung steckte, und die straffe, überlegte Organisation, die immer freundlichen und gut aufgelegten Knights und nicht zuletzt die sieben spielfreudigen Bands haben den Abend einfach unvergesslich gemacht. Ich wünsche mir, dass das Fuck Cancer kein Strohfeuer war, sondern einen Nachfolger bekommt. Und für den wünsche ich mir noch mehr Resonanz bei den Metalheads. Ich werde dann definitiv wieder am Start sein. Spread the word - love Metal!

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